Der Tribun
dich nicht fürchten«, erklang aus dem Hintergrund die Stimme des Mädchens mit den langen, weizengelben Zöpfen, die jetzt dunkel von Nässe über ihre Schultern hingen. Sie sprach langsam, als müsse sie die Worte mit Bedacht setzen. Sie übersetzte.
Gemeinsam mit der Sklavin, die sich an seiner anderen Seite hingekauert hatte, half ihm die Frau sich aufzusetzen und machte sich an dem Verband zu schaffen, der die rechte Schulter bedeckte. Sie löste die Schlingen, wobei sich ein krautiger Geruch ausbreitete. Misstrauisch beobachtete Cinna, wie die Sklavin den Verband mit gesenktem Kopf entgegennahm und in die Herdglut warf, wo er in aufprasselndem Funkenflug Feuer fing. Indessen tupfte die Frau, in der er die Herrin dieser armseligen Hütte zu erkennen glaubte, mit einem heißen, feuchten Tuch sorgfältig die Reste einer eingetrockneten Masse von der Wunde. Dann umrundete sie sein Lager und schlug ebenso überraschend wie beiläufig die Decke zurück, um seine Beine zu entblößen. Die Sklavin hob sein Knie ein Stück an – die Bestie, deren Zähne sein Fleisch misshandelten, schien müde geworden, aber sie war noch da –, so dass der grobe Kittel, mit dem sie ihn bekleidet hatten, bis zur Hüfte rutschte und einen Verband aus einer breiten, hellen Leinenbahn freigab. Behutsam wickelte sie das Band ab, enthüllte blasse, von einer grünlichen Paste bedeckte Haut, und während auch dieser schmutzige Fetzen verbrannte, knetete sie sanft den verletzten Muskel, betastete die Umgebung des drei Finger breiten, violetten Wulstes, aus dem steif die Enden schwarzer Dornen ragten, umwickelt mit rostrot verfärbten Fäden. Sie hatten die Wunde zusammengesteckt wie Leder.
»Du musst sehr krank sein, wenn du unser gutes Gerstenbier ablehnst«, brach das Mädchen, das in einiger Entfernung verblieben war, das Schweigen.
Die Erinnerung an das schale Zeug ließ ihn die Nase rümpfen. »Gut nennt ihr das?«
Die ältere Frau löste ihre Hände von seinem Bein. Ihre Augen flackerten, als hätte sie ihn verstanden.
»Du wirst dich daran gewöhnen müssen, solange du innerhalb dieses Zaunes weilst, Romulus«, höhnte das Mädchen; ihn mit dem Namen des Gründers von Rom zu bedenken, war offenkundig kein Ausdruck von Hochachtung.
»Was sicherlich nicht lange dauern wird«, versetzte er scharf.
Ihre Haut war von einem begehrenswerten Weiß. Es könnte sich als besonders reizvoll erweisen, diese Aufsässigkeit zu brechen.
Die ältere Frau durchwühlte den mitgebrachten Beutel nach einem Tiegel; ein dunkelgrüner Brei befand sich darin, der einen scharfen Geruch verströmte. Während sie das barbarische Heilmittel rings um die Verletzungen auftrug, raunte sie zu Cinnas Bestürzung dicht über den Wunden leise Beschwörungen und ließ den Atem darüber streichen, wie es thessalische Hexen taten. Schweiß drang ihm aus jeder Pore. Er befand sich fernab jeglichen Lebensstils.
Nachdem sie Schulter und Bein umständlich wieder verbunden hatte, entfernte sich die Frau ohne ein weiteres Wort. Die Sklavin, die ihm Nahrung gebracht hatte, richtete sein Lager, wechselte die Decken und schüttete das Stroh auf, so dass er es ein wenig bequemer hatte. Während sie heiter mit dem Mädchen in ihrer tierischen Sprache schwatzte, wusch sie ihm Gesicht und Oberkörper, ohne sich um sein unwilliges Sträuben zu kümmern. Schließlich schob die Sklavin eine bauchige Schale neben sein Lager und erklärte ihm deren Zweck mit einer Geste. Das Gefäß sollte ihm als Nachtgeschirr dienen, aufstehen konnte er ja nicht.
Bepackt mit Tüchern, Decken und der Wasserschüssel verließ sie das Haus; nur das Mädchen war zurückgeblieben, hockte, ihm den Rücken zuwendend, bei der Feuerstelle und verschloss gewissenhaft die Tiegel, denen sie die Salben entnommen hatten. Die Barbaren würden ihn nicht töten – jedenfalls nicht, solange er krank war. Die schrecklichen Dinge, die er über die Wilden gehört hatte – sie päppelten verwundete Gegner auf, um die Geheilten ihren Göttern zu opfern –, huschten ihm durch den Sinn. Er fröstelte. Erfahrene Soldaten wussten von bemerkenswerten Gräueltaten dieser Wilden zu berichten. Ein Aufstand. Der Aufstand, vor dem dieser Segestes gewarnt hatte. Varus hatte nicht hören wollen, und jetzt steckte ausgerechnet derjenige, der sich der Zuverlässigkeit des Informanten vergewissern sollte, in der Klemme. Er würgte den Zorn hinunter, während seine Blicke eine dicke, schwarze Fliege bei ihren ziellosen
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