Der Tribun
hinweg. Seine Hände schlossen sich um die warme Schüssel, in deren Dampf er seine Nase tauchte. Eine dünne, fade Brühe mit winzigen Fetzen faserigen Fleisches – irgendein Geflügel – und zerschnitzeltem Gemüse füllte seinen Mund. Er schluckte und schluckte, während sich wohlige Wärme in seinem Inneren ausbreitete.
Als er den Napf absetzte, fiel sein Blick auf ihr Gesicht, ein unscheinbares Gesicht, ein vorsichtiges Lächeln bei leicht gesenktem Kopf. Sie kauerte auf dem Boden, auf schmutzigen, nackten Füßen. Eine Sklavin.
In der Hand, die sie ihm hinstreckte, hielt sie einen Becher, randvoll gefüllt mit einer klaren, gelblich braunen Flüssigkeit, auf deren Oberfläche dünner Schaum schwamm. Sie nickte aufmunternd. Was immer es war, es konnte nicht schaden. Er setzte den Becher an, trotzte dem vergorenen Geruch, doch schon den ersten Schluck spie er wieder aus und schüttelte sich angewidert.
Die Sklavin wandte sich rasch ab und presste eine Hand vor den Mund, gluckste, während sie ihm in der anderen die kleine Schüssel wieder anbot. Hastig verschlang er die dünne Brühe, biss zwischendurch in den harten Fladen, der seinen Zähnen den gleichen Widerstand entgegensetzte wie die groben Brote einfacher Legionäre, einfache Nahrung, kaum besser als Viehfutter, und dennoch empfand er eine tiefe Befriedigung dabei, den Bauch endlich füllen zu können.
Während die Zunge nach faserigen Resten zwischen den Zähnen tastete, ließ er den Blick durch den Raum schweifen, entlang der dunklen Stoffbahnen, die an den Querbalken und Brettern des Trockenbodens aufgehängt waren und wohl Nischen abtrennten, vermutlich Schlafplätze. In der Herdstelle knackten und knisterten vom Feuer geschwärzte Scheite.
Ein Schatten füllte den Türrahmen, ein hochgewachsener junger Bursche, das hellbraune Haar über dem Ohr zu einem dicken Knoten aufgedreht. Er wechselte einen schnellen Blick mit der Sklavin, und die Frau folgte ihm hinaus. Bald vernahm Cinna hinter der dünnen Wand halblautes Murmeln und Flüstern und ein kurzes helles Kichern, dann ein ersticktes Seufzen und dumpfes Keuchen, dessen Ton vollends verriet, was die beiden trieben. Cinna schnaubte missmutig; Calpurnia wartete auf seine Rückkehr, doch er würde beim besten Willen nicht bis zum Fest auf den Beinen sein. Lange durfte man ihn hier nicht versauern lassen.
Eine Weile blieb Cinna allein in dem Haus, dessen dumpfes Zwielicht Abbild seiner Seele war. Der Geruch des verschütteten Trankes, den er unschwer als das allseits verspottete Bier der Wilden wiedererkannt hatte, hing in der Luft. Ohne besondere Teilnahme lauschte er dem Lärmen der Kinder, dem Rufen und Schwatzen vorübergehender Leute. Hin und wieder jagten ihn feine Stiche aus der trügerischen Ruhe. Er ekelte sich vor dem Stroh, auf dem er lag, er ekelte sich vor den Decken, die ihn wärmten, und er ekelte sich vor dem eigenen stinkenden und mit grobem Leinen verbundenen Körper, der in einem verschwitzten, wollenen Hemd steckte. Er ahnte, dass er sehr krank gewesen war, dass er ein Wundfieber überstanden hatte. Trotz der unzulänglichen Hexerei, die man hier Heilkunst nennen mochte. Und er zermarterte sich den Kopf darüber, was auf dem schnellen Ritt durch die Wälder geschehen war, wie er hierher geraten war, als sich der diffuse Schemen eines Soldaten mit erschrocken aufgerissenen Augen aus der Bohlenwand schälte. Über seiner Kehle klaffte eine dunkle Linie.
Entsetzt schrak Cinna auf. Die Eskorte. Irgendwo mussten die zehn Reiter sein. Wieder schwebte das Bild eines erstarrten Gesichtes vor ihm, weit spritzte das Blut. Schreie und schrilles Wiehern. Verzweifelt versuchte er, die Geister loszuwerden, den einzigen Anhaltspunkt für seine Gefangennahme; denn dass er ein Gefangener war, daran konnte es keinen Zweifel geben.
Leise Schritte schleiften über den Boden. Cinna blinzelte, erkannte zwei Frauen, die sich ihm näherten, gefolgt von der barfüßigen Sklavin. Als der matte Lichtstreif, der durch die Giebelluke fiel, das Gesicht der älteren Frau berührte, färbte sich seine Erinnerung neu und lebendig. Ihre Hand hatte kalt auf seiner Stirn gelegen. Eine Hexenhand, nicht die eines Medicus.
Bedächtig ließ die Frau sich neben ihm auf die Knie, setzte sich auf die Fersen, dann legte sie ihre kühlen Finger auf seine, die sich um die grobe Decke gekrallt hatten, und murmelte etwas, das wohl beruhigend klingen sollte, aber nichts als barbarisches Gebrabbel war.
»Du sollst
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