Der Tribun
kostbarer als das, was Vater verlangt hat. Der Kauf wurde besiegelt. Wir können es nicht mehr verhindern, es sei denn durch Gewalt. Und das würde eine blutige Fehde nach sich ziehen. Aber vielleicht wird diese Verbindung ja einen Frieden besiegeln. Vielleicht ist Sunja stark genug …« Sein Blick schweifte über die Koppel, mit der freien Hand winkte er Margio zu sich her, der den Pferden Wasser gebracht hatte.
»Du musst fort«, stieß Hraban hervor. »Noch heute – nein, besser jetzt! Sofort!«
Ehe Cinna etwas erwidern konnte, hatte Hraban Margio bereits befohlen, sich ein paar Männer aus dem Dorf zu nehmen, die Pferde vors Dorf zu bringen und dort zusammen mit den Reittieren der Gäste in den Wald zu treiben. Alle Pferde – außer den beiden, die zum Brautpreis gehören.
»Herr, das ist ein übler Streich! Man wird uns dafür prügeln, Herr. Das darfst du nicht verlangen!«
»Tu, was ich sage! Und sorgt dafür, dass euch niemand bemerkt.«
Widerwillig trottete Margio zum Tor; kaum war er außer Hörweite, wandte Hraban sich Cinna zu, zerrte an dessen Schultern, als wollte er ihn aufrütteln. »Warte, bis Margio zurückkehrt, dann nimm dir von den Geschenken, was du brauchen kannst, und die Pferde. Tu so, als wolltest du sie auf die Koppel bringen. Du wirst sie beide benötigen; denn bis zu den römisch besetzten Gebieten sind es sieben beschwerliche Tagesreisen, vier bis zu den Chatten, bei denen du vielleicht Hilfe finden wirst – aber vertraue lieber nicht darauf. Jeder, der dir begegnen wird, kann ein tödlicher Feind sein. Halte dich gen Mittag, weiche nie von dieser Richtung ab.« Seine Hand glitt an Cinnas Oberarm herab. »Wenn sie erst erkannt haben, dass du geflohen bist, werden sie dich jagen wie ein wildes Tier. Du musst schnell sein. Sehr schnell.«
Ohne ein weiteres Wort drückte Hraban ihm eine Ledertasche in die Hand, drehte sich um und entfernte sich. Es würde keinen Abschied geben, kein Lebewohl von Saldir oder Inguiomers, kein Segen von Thauris, der Cinna bitter nötig erschien. Oft hatte er darüber gegrübelt, wie er von diesem Ort entkommen konnte, jetzt öffneten sie ihm selbst das Tor, gaben ihm Waffen, Pferde und, wie er mit einem Blick in die Tasche entdeckte, Kleidung und Nahrung, einen Dolch, sogar Thauris’ kleiner Beutel mit Feuerstein und Erz fand sich darin. Er musste diese Reise allein antreten, obwohl er sie kaum überstehen konnte; denn was ihm sonst blieb, war ein qualvoller und schmählicher Tod in der Gefangenschaft.
Als Margio durch das Tor heraufkam, zog Cinna den Mantel enger um sich und machte sich auf den Weg dorthin, wo die beiden Pferde neben den anderen Brautgaben angepflockt waren. Er legte sich einen Plan zurecht, die Tiere in Richtung des Gatters zu führen und sich am Zaun entlang ungesehen zum Tor zu schleichen. Von dort aus würde es ein Kinderspiel sein; fast alle Männer des Dorfes saßen an der Tafel und feierten Sunjas Abschied. Die Pferde, mit denen man ihn hätte verfolgen können, waren im Wald verstreut, der Weg frei.
Das Tor stand weit offen, nirgendwo befanden sich Wachen, jede Vorsicht war vergessen über dem Singen und Trinken. Cinna näherte sich den Pferden, ohne dass ihn jemand ansprach, ohne dass ihm jemand in den Weg trat, ohne dass jemand hinter den Tieren hervorsprang und eine Speerspitze gegen seine Brust senkte. Abwechselnd flog sein Blick zum Tor, den menschenleeren Weg hinunter und zurück zu den beiden prachtvoll gezäumten und gewappneten Tieren, die bei den jetzt unbeachtet liegenden Geschenken unweit der Ochsen und Kühe angepflockt waren. Der Grauschimmel hob das mächtige Haupt, schaute ihn kauend an und gab einen Begrüßungslaut von sich, ehe er die mahlende Schnauze wieder ins Heu senkte. Daguvalda hatte seine kostbaren Waffen hier niedergelegt, und die bronzenen Beschläge der Schwertscheide schimmerten verlockend im Sonnenlicht.
Die Daumen im Gürtel schlenderte Cinna scheinbar teilnahmslos weiter. Wieder erregte er die Aufmerksamkeit des Grauen, als er im Vorbeigehen das Schwert an sich nahm; er strich dem Hengst über die Nase, den Hals und schlüpfte zwischen die beiden Pferde. Aufmerksam lauschte er dem Stimmengewirr, hörte heftige Worte aufbranden, bis Inguiotars klangvoller Bass Ruhe einforderte.
Mit fliegenden Fingern legte Cinna den Schwertgurt um, prüfte den Sitz der Waffe und tat einen tiefen Atemzug. Er befestigte die Tasche am Sattel, dann nestelte er die Zügel von den Pflöcken. Nachdem er sich
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