Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
Vom Netzwerk:
und Nase. Cinna wusch sich am Brunnen, als eine in helles Tuch gehüllte Gestalt am Herrenhaus entlangeilte. Er erkannte Sunjas Mantel und ihren Gang; es schien Fügung zu sein.
    Kaum war sie hinter der Hecke verschwunden, schnellte Cinna über den Hof und gelangte unbemerkt an den Zaun. Die vermummte Gestalt kauerte zwischen den Kräutern, als er leise hinter den Beerensträuchern hervortrat und sein Fuß einen Zweig brach, dass sie aufsprang.
    Rascher als sie sich hätte zur Wehr setzen können, umschlang er sie, obwohl sie sich wand und sträubte, ihn anfauchte, sie loszulassen. Ihre Fäuste hämmerten auf ihn ein, ihre Finger fuhren gegen ihn, so dass die einzige Möglichkeit, diesen scharfen Waffen zu entgehen, darin bestand, sie enger und fester zu umarmen, bis sie sich kaum noch bewegen konnte. Stumm presste er sie an sich, um den Regen auf ihren Wangen zu kosten, auf dem Haar, von dem der Mantel herabgeglitten war, während sie erlahmte.
    Er lockerte seinen Griff und ließ seine Hand über ihren Rücken gleiten, als sie den Kopf hob, um ihn seltsam ernst zu betrachten.
    »Sie werden am nächsten Vollmond kommen, um mich zu holen.«
    Es war kein Geheimnis, dass ihm nur noch fünf Tage blieben, wenn er gewinnen wollte, und dass selbst der glänzendste Sieg unsichtbar blieb, wenn er nicht ans Licht gelangte, war eine Binsenweisheit. Ratlos beugte er sich über sie, um sein Gesicht an ihren Hals zu schmiegen, und begrüßte die feine Gänsehaut, die sein Atem in ihrem Nacken auslöste.
    »Vergiss ihn«, flüsterte er.
    Sie fuhr zurück, blickte ihn verstört an; er zog sie wieder an sich, küsste sie, erst quälend zart, steigerte sich, mehr überwältigt als berechnend, in erhitzte Leidenschaft, die seine Zunge beflügelte, seine Zähne in ihre Lippen grub, und ihre Erwiderung erstickte. Der Körper in seinen Armen war wie versteinert, machte aber keinen Versuch, ihn von sich zu schieben. Wissend um die Schlichtheit, mit der in Inguiotars Haus der Liebe gepflogen wurde, bedachte er ihre Schultern und ihren Hals mit zarten Küssen. Aus den Augenwinkeln gewahrte er das Flattern ihrer Lider, während sie zunehmend bleiern wurde. Jubel raste in ihm, schmeckte süß wie die Erfüllung des Verlangens, so süß, dass ihn schwindelte. Sie überließ sich ihm.
    Und dieser Bauer sollte sie niemals besitzen.
    »Lass uns fliehen, Sunja.«
    Sie riss sich jäh los, zog die Kapuze über ihr Haar. »Du hast den Verstand verloren!«
    Er schaute ihr zu, wie sie mit zitternden Fingern ihren Zopf ordnete, dann den Mantel fest um ihre Schultern zog, wie um sich vor ihm zu verkriechen.
    »Wir können nicht einfach weglaufen! Wo sollen wir denn hin? Jeder Wegelagerer, jeder umherziehende Kriegertrupp würde uns sofort als Flüchtlinge erkennen und aufgreifen. Und wenn sie uns lebend hierher zurückschleppten, dann nur, um uns zu töten.«
    Aufgebracht tat er einen Schritt auf sie zu; er verspürte den Drang, ihr weh zu tun, wie einen jähen Stich, ballte und öffnete die Fäuste, unfähig, die Hand gegen sie zu erheben.
    »Sicher, wenn Daguvaldas braves Weib zu sein für dich Leben heißt, dann musst du freilich bleiben.«
    Mit flackernden Augen wich sie vor ihm zurück, und sie hätte sich ebenso gut in eines der hölzernen Götterbilder, welche die Heiligtümer bewohnten, verwandeln können, wenn ihre Lippen nicht so lebhaft gezittert hätten. Dann schluckte sie hart, schien in sich zusammenzusinken.
    »Ich darf dich nicht mehr sehen.« Ihre Stimme erstarb zu einem tonlosen Flüstern. »Ich darf dich nie mehr sehen.«
    Er wollte etwas entgegnen, aber die Gedanken waren zerstoben, ließen dumpfen Schmerz und Übelkeit zurück, wie sie ein Schlag in den Magen verursachte. Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte er sich um, und die Linke umkrampfte die Zipfel des Mantels vor der Brust, während er den Weg am Zaun entlang einschlug.

XXI
    Am Tag des Vollmonds trafen Dagumers und sein Sohn mit einem kleinen Gefolge ein und wurden von Inguiotar und Thauris gebührend empfangen. Sie führten den Brautpreis mit sich, aus dem besonders die beiden Pferde herausstachen: ein riesiger Grauschimmel und als Dreingabe des Bräutigams eine schlanke, wendige Rappstute; beide waren prächtig aufgezäumt und trugen über weichen, bunten Decken die Sättel römischer Reiter. Gastgeber und Gäste nahmen auf dem Hof den Begrüßungstrunk zu sich, und Daguvalda führte seine Waffen vor zum Beweis, dass er seine zukünftige Frau mit seinem

Weitere Kostenlose Bücher