Der Tribun
Leben verteidigen würde. Dann wurden Geschenke ausgebreitet und mit Lauten des Entzückens betrachtet, geschätzt und geprüft, ehe man gemeinsam den Hof überquerte, damit die Braut aus dem Hause ihres Vaters dem Bräutigam zugeführt werden konnte.
Sunjas Lippen waren schmal, ihr Blick ins Leere gerichtet, ihre Haut fast ebenso weiß wie das gebleichte Leinen, das sie trug, als Thauris sie zu ihrem Vater geleitete. Feierlich nahm Inguiotar ihre Hände und legte sie in die ausgestreckten des Bräutigams.
In diesem Augenblick, als er seine eitlen Wünsche jäh zerschmettert sah, entfuhr Cinna ein leises Stöhnen. Er hatte sich von der Übergabe der Braut fern halten wollen, war widerstrebend in den Kreis geschoben worden, unwilliger Zeuge eines Bündnisses, das mit dieser Geste besiegelt wurde. Um ihn erklangen Rufe, Segenswünsche, lautes Singen. Die Menschen drängten sich um das Paar, das in ungleichem Glück verharrte.
Daguvalda würde dem Brautvater danken, Thauris die Männer zur Tafel laden, die sie vor dem Haus auf dem sonnenbeschienenen Hof aufgestellt hatten – Cinna kannte die nun folgenden Schritte. Die Menschen um ihn drängten vorwärts, der Geruch nach Wolle und Leder, Vieh und Schweiß verursachte ihm Übelkeit, dass er die Hand vor den Mund presste und sich davonstahl.
Unbemerkt gelangte er hinters Haus, wohin die Stimmen nur gedämpft drangen. Hier tönten die Amseln und Sperlinge lauter, und auf dem Dach stolzierte eine sehnsuchtsvoll gurrende Taube, was unter den Frauen Begeisterungsstürme hervorrief. Cinna verfluchte den Vogel der Venus, hob einen Kiesel auf und holte aus – dann ließ er den Arm wieder sinken. Die Taube drehte der Festgesellschaft den Rücken zu, duckte sich, um im nächsten Augenblick mit pfeifendem Flügelschlag über das Dorf in Richtung des Waldes zu fliegen.
Der Kiesel fiel auf den staubigen Boden. Keinen Gedanken verschwendete Cinna darauf, was dieses Vorzeichen bedeuten könnte; ob diese Ehe unter einem guten oder bösen Stern geschlossen wurde, machte für ihn keinen Unterschied. Mit einem Tritt beförderte er den Stein über den Pfad und setzte sich in Bewegung. Hinter den Schuppen, in der Nähe der Koppel wusste er einen Ort, wo ihn niemand suchen würde. Er würde sich die Lustbarkeit schenken, weg von der dröhnenden Tafel, weg von den Männern, die über schäumende Becher und Schalen hinweg ihre Vorfahren priesen und in anzüglichen Sprüchen zukünftiges Eheglück heraufbeschworen. Daguvalda hatte sich eine widerspenstige Braut erworben, aber ihr Sträuben würde sich unter einem fremden Dach, ohne den Schutz von Vater, Mutter und Brüdern, sehr bald totlaufen. Wie Gunthis würde sie sich fügen.
Während die Sonne langsam ihre Bahn hinaufkroch, vertrieb Cinna sich die Zeit damit, mit einem Zweig zusammenhanglose Buchstaben in den Boden zu kratzen, als könne er damit finstere Mächte beschwören, die seinen Zwecken dienlich wären. Hrabans Blindheit und Inguiotars Geltungsdrang würde er zum Opfer fallen, auch seiner eigenen Unentschlossenheit. Mit einem scharfen Fluch gegen seine Widersacher schleuderte er das Schreibwerkzeug von sich. Dann legte er den Kopf zurück und badete das Gesicht im Sonnenlicht, als ein Schatten kühl über ihn fiel. Wie aus dem Boden gewachsen stand Hraban neben ihm und winkte ihm aufzustehen.
Kaum hatte Cinna sich aufgerappelt, warf Hraban ihm seinen eigenen Mantel um, weiche, dunkelblaue Wolle, zog ihm die Kapuze über den Kopf, und zerrte ihn mit sich.
»Du hattest Recht. Du hattest von Anfang an Recht. Daguvalda sitzt an der Tafel meines Vaters und lässt Ermanamers hochleben.« Seine Stimme zitterte. »Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen und nicht mit eigenen Ohren gehört hätte, ich würde es nicht glauben, doch er und Liuba übertreffen sich gerade darin, Vater die Vorzüge dieses Mannes in den prächtigsten Farben zu schildern und die herrliche, ruhmreiche Zukunft, der wir unter seiner Herrschaft entgegenschreiten werden.« Er griff sich an die Stirn. »Und ich Narr dachte, du seist hinter Sunja her!«
Unwillig schüttelte Cinna ihn ab. »Ich hasse es, Recht zu behalten.«
»Teiwas wacht über uns, er hat Daguvaldas Verstand benebelt und seine Zunge gelöst. Aber wenn er Sunja erst mit sich genommen hat, können wir ihm oder Ermanamers deine Herausgabe nicht länger verweigern.«
»Wollt ihr sie diesem Mann etwa immer noch anvertrauen?«
»Die Gaben wurden gebracht, und sie sind prachtvoller und
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