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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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aus, verfehlte ihn, als der Krieger ihn packte und weit von sich schleuderte.
    Benommen fand sich Cinna am Boden. Das Schwert lag mehr als einen Schritt entfernt, umspült von einem Rinnsal, das über das Geröll sprang. Liubas schwere Schritte donnerten mit dem Rauschen des Sturms und dem Knirschen der Steine unter seinen Füßen heran.
    Wie eine Katze streckte Cinna sich nach der Waffe, riss herumfahrend das Schwert hoch und stieß nach dem Gegner. Liuba fuhr zurück. Blut spritzte auf. Ein sauberer Schnitt zog sich über den Unterarm, und in einem dünnen Strich rann es rot über das Handgelenk. Langsam zog Liuba das Schwert zurück, holte aus. Er öffnete seine Deckung. Da schnellte Cinna mit einem Satz vorwärts, um die Spitze der Klinge mit aller Wucht in Liubas gestreckten Leib zu rammen.
    Im Stürzen hörte er die Kettenglieder bersten, bis die Klinge plötzlich ungebremst eindrang, das Ächzen, das der Verwundete ausstieß. Liuba wankte und presste die Linke auf den Bauch. Seine Augen funkelten wild, sein Stöhnen erfüllte die Luft, als Cinna sich nochmals auf ihn stürzte und ihn mit der scharfen Schneide in der Halsbeuge traf. Liubas Schwert schlug auf den Kies; er versuchte, sich mit den Armen zu schützen vor dem Gegner, der sich vor ihm aufbaute. Die Waffe, nach der er langte, trat Cinna mit einem Fußtritt beiseite.
    Liubas Kettenhemd glitzerte an mehreren Stellen dunkel. Als seine wild umherzuckenden Blicke Sunja fanden, drehte er sich um. Er taumelte auf sie zu, die blutigen Hände nach ihr ausgestreckt, verfehlte sie, als Cinnas Schwert singend durch die Luft sauste, auf seinen Nacken niederfuhr. Der Getroffene bäumte sich auf, erlahmte, brach ächzend in die Knie, dann sackte er haltlos in sich zusammen.
    Schwer atmend stand Cinna vor dem Gegner, der keinen Laut mehr von sich gab. Liuba lag bäuchlings in der Geröllspur, das Gesicht in das anschwellende Rinnsal getaucht, und unter ihm quoll das Wasser mit dunklen Schlieren und Wolken hervor. Noch immer hielt Cinna das Heft mit der Linken fest umklammert, der Hand, die Liuba von ungewohnter Seite attackiert hatte. Er hatte nicht vergessen, was ihn gelehrt worden war.
    Ein Geräusch ließ ihn herumfahren, ein dumpfer Aufschlag, ein heller wimmernder Ton. Sunja war auf die Knie gefallen, die Hände erhoben, als wolle sie ihr Gesicht damit bedecken. Ihr Atem ging rasch, und sie schluckte sichtbar. Ihre Hände fuhren zu ihren Wangen, verharrten einen Moment; wild rasten die Nägel über die Haut, und mit einem Aufschrei brach das Schluchzen aus ihrer Brust.
    Knallend schlug das Schwert auf den Steinen auf. Cinna war zu ihr gestürzt, packte ihre Handgelenke, als sie wieder versuchte, sich das Gesicht zu zerkratzen. Sie wand sich in seinem harten Griff, befreite ihre Hände, wühlte sie in ihr aufgelöstes Haar und zerrte stumm an den Strähnen, als er sie umschlang, ihren Kopf an sich drückte, ihre zuckenden Schultern, und spürte, wie sie zusammensackte. Hilflos strich er ihr über das Haar, den Nacken, während sie in das Gewebe dünner Eisenringe schniefte und ihre Tränen sein Hemd tränkten. Mit jedem Atemzug wurden seine Glieder tauber, und ein dumpfer Schmerz, der sich nicht orten ließ, zeigte deutlich, dass er nicht ungeschoren davongekommen war.
    »Ich habe den Tod verdient«, wimmerte sie.
    »Was redest du?« Er schob sie von sich, schluckte, als ein Stich durch seine linke Flanke ging. Ihr Haar war dunkel und strähnig vom Regen, das Kleid klebte an ihrer Haut, die vor Nässe glänzte.
    »Ich habe den Tod verdient. Ich bin weggelaufen. Ich habe sie im Stich gelassen. Ich hätte mich fügen müssen. Hätte versuchen müssen, Daguvalda umzustimmen. Liuba umzustimmen …«
    »Sunja! Bist du bei Trost?« Cinnas Hand wies auf den reglosen Körper, der hinter ihm auf den Steinen lag. »Er hat deinen Bruder getötet … deinen Vater verraten … deine Mutter
    … deine Geschwister … dich! Wenn einer den Tod verdient hat, dann er!«
    Sie schüttelte wild den Kopf. »Nein. Nein. Er hatte nie diese Gedanken. Er wollte immer nur hier leben. Er wollte nichts als Ehre für uns.«
    »Sunja …« Als er ihre Wange berührte, schrak sie vor dem Blut an seinen Fingern zurück. Zitternd rutschte sie auf den Knien von ihm weg, wies auf ihr besudeltes Hemd. »Das … ist sein Blut.«
    Er starrte seine Hände an, unfähig, sie einfach am feuchten Gras abzuwischen, starrte auf die Flecken, die sich mit den Regentropfen vermischten, mit dem Wasser, das einen

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