Der Tribun
wiederfand, schniefend, die Augen wund. Trotzig schnäuzte er sich, wischte über Wangen und Lider und streifte den Handrücken am hoffnungslos verdreckten Waffenrock ab, während der Blick durch das Dunkel schweifte. Vor ihm ragten im Mondlicht schlank und boshaft scharf zugespitzte Stangen auf.
Wie durch ein Wunder war er dem Tod entronnen, als er in die Wolfsgrube gestürzt war. Sein Gesicht blutete, Hände, Arme und Unterschenkel waren aufgeschürft, ansonsten war er unverletzt. Still hockte er auf dem Boden, fröstelnd und müde, scharrte schließlich verstreute Zweige zusammen, welche die Falle getarnt hatten, um sich darauf einzurollen. Hier unten erreichte ihn der Wind nicht, der in den Wipfeln spielte. Gleichgültig vor Erschöpfung nagte er an bitterem Holz und erwartete, was das Schicksal für ihn bereithielte.
Er atmete geradezu auf, als sich Hufschlag näherte. Dann jedoch war er sich nicht mehr sicher, was er mehr fürchtete, die Entdeckung der Falle oder die eigene aussichtslose Lage darin, und verbarg sich unter den mitgerissenen Blättern.
Unterdrücktes Rufen übertönte schwach das Rauschen der Baumkronen; Sunjas Stimme drang in Fetzen zu ihm hinunter, sie wisse, dass er in der Nähe sei, die Spuren, die er hinterlassen habe, seien deutlich genug, und fügte hinzu, dass er sich niemals zu den seinen durchschlagen könnte. Ein Haufen rauflustiger Cherusker würde nur darauf warten, dass ihnen solch ein Dummkopf in die Hände fiele. Cinna kauerte im Laub und verfluchte sich selbst und das boshafte Schicksal, dass ausgerechnet ein Weib, ein Mädchen, ihn finden sollte.
Ein Laut des Erstaunens verriet ihm, dass sie die eingebrochene Abdeckung der Fallgrube entdeckt hatte und wusste, welches Tier darin gefangen war. Auf ein Zungenschnalzen hin trabte das Pferd näher, hielt schnaubend am Rand der Grube. Sunjas Füße prallten dumpf auf dem Waldboden auf; dann ringelte sich ein Seil herunter.
»Eine Wolfsfalle!«, spottete sie. »Komm rauf, du Narr! Oder glaubst du, dass Graubart mit sich verhandeln lässt, wenn er dich im Vorübergehen findet?«
Ein unterdrückter Fluch ertönte, als er sich weiterhin still verhielt.
»Ich hole die Männer aus dem Dorf, wenn du dich nicht heraufbequemst. Hraban ist schon auf dem Weg hierher. Ich muss nur laut genug pfeifen, und in Windeseile werden sich alle versammeln, um sich an deiner Schande zu weiden.«
Diese Warnung überzeugte ihn. Er schlich mit glühendem Gesicht zum Seil und arbeitete sich hinauf. Oben angelangt, klopfte er sich den Schmutz vom Hemd, während sie das Seil einrollte. Fieberhaft arbeitete sein Geist. Wie ein gehetztes Tier beobachtete er Sunja, die sich nach dem Pferd umwandte und ihn leichtsinnig aus den Augen ließ.
Er langte nach dem Zügel des Rappen, der vor ihm scheute. Das Mädchen schrie ihn an, griff nach ihm, als hätte sie keinerlei Angst, doch er warf sich auf sie, dass sie gegen einen Baumstamm prallte. Er hörte ihr Ächzen, hörte zugleich das ferne Krachen von Zweigen, Hufschlag und Hundegebell. Sie rauben, um sich durchzuschlagen, eine Gefangene zu haben, eine Geisel. Keuchend schlug sie um sich, als er sie am zerreißenden Kleid zu dem zurückscheuenden Pferd schleifte. Ihr schriller Hilferuf alarmierte die Verfolger. Der Hufschlag in der Ferne stoppte, setzte dann jäh wieder ein und kam rasch näher. Fluchend stieß Cinna das Mädchen beiseite, wich vor dem Rappen zurück, der sich wiehernd aufbäumte und nach ihm schlug.
Blindlings hetzte er zwischen den schwarzen Baumstämmen dahin, ohne Richtung oder Ziel, gejagt von Hufschlag und Gebell. Mechanisch griffen die Beine aus, bahnten ihm einen Pfad. Er schützte das Gesicht mit den Armen vor den peitschenden Zweigen. Die Narbe an der Schulter pulste, der verletzte Schenkel hemmte jeden Schritt. Verzweifelt zog er pfeifenden Atem in die brennenden Lungen, kämpfte mit dem Schwindel und der Angst, eine zweite Falle könnte auf seinem Weg liegen, während das Herz im ganzen Körper pochte.
Eine Wurzel schnappte nach seinem Fuß, dass er strauchelte und der Länge nach hinfiel. Mit ausgebreiteten Armen lauschte er dem Pumpen des Herzens, rang nach Luft, um nicht ohnmächtig zu werden. Für einen Augenblick schlossen sich die Lider, Dunkelheit senkte sich herab, die Erde tat sich auf. Eine Ameise krabbelte über seine Wange und biss ihn.
Jäh packte ihn eine Hand und warf ihn herum. Er erkannte schemenhaft Hrabans Gesicht. Zwei Hunde strichen um ihn, schnüffelten und
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