Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
Vom Netzwerk:
eures Vaterhauses nicht brechen.«
    »Friede?« Liubas Stimme drohte zu kippen. »Du wünschst dir Frieden und erträgst eine wilde Bestie unter deinem Dach?«
    »Du hast ihn hierher gebracht – jetzt ertrage du seine Gegenwart, mein Sohn. Dann wird es gut sein.«
    »Es wird niemals gut sein! Nicht bevor der letzte dieser Bastarde und Mörder ins Meer oder über die Gebirge gejagt ist – oder tot zu meinen Füßen liegt!«
    Schwer atmend stand Liuba vor seinem Bruder, die Wangen fleckig und die Augen nass schimmernd, die Fäuste krampfhaft geballt. Als Thauris sanft die Schultern ihres Ältesten umfasste und ihn zurückschob, gab er unvermutet dem Druck nach und seine Finger lösten sich von Cinnas Arm.
    Hraban schob Cinna hinaus.
    »Was ist mit ihm?«
    »Nichts«, knurrte Hraban und führte ihn über den Hof weg vom Haus.
    Brüsk schüttelte Cinna Hrabans Hand ab. »Was ist mit ihm?«, wiederholte er, jedes Wort einzeln betonend.
    »Es geht dich nichts an!«
    »Du meinst, ich habe kein Recht darauf zu erfahren, warum er so … aufgebracht ist?«
    Hraban blieb stehen, wischte sich über das Gesicht, dann verharrte seine Hand auf seiner Brust.
    »Er wird dafür sorgen, dass ich in Arminius’ Fänge gerate – und du weißt, was das bedeutet.«
    »Er wird es nicht wagen.« Hrabans Augen waren dunkel. »Wir werden es verhindern.«
    *
    Gunthis, die kundige Weberin, hatte sich Saldirs angenommen, und so saß das Mädchen in seinen dicken Winterkleidern hinter dem Webrahmen und zog ein mürrisches Gesicht, während es sich mit Wolle, Schiffchen, Kette und Schuss und den klappernden Wirtein plagte. Es war das, was Liuba wollte, nicht ihr Wunsch, er drängte darauf, dass sie sich mit krumpeligen Stoffen und schiefen Mustern plagte, für die sie von ihrer Mutter sanfte Nasenstüber erhielt. So rieb sie sich oft die frostrote Nase und wischte dabei heimliche Tränen von ihren Wimpern.
    Über dem Dorf bebte erwartungsvolle Unruhe. Ungünstige Zeichen, Scharen von Kormoranen waren von Süden und Westen über das Tal hinweggezogen; Krähen hatten ihre misstönenden Versammlungen im nahen Wald abgehalten. Inguiotar rief Ahtareths zu sich, den Priester des Wodanas, der summend und murmelnd aus einem Eschenscheit seine Hölzchen schnitzte, sie mit Zauberzeichen zierte und in einem ledernen Beutel sammelte. Er füllte eine Tonschale mit Glut und verbrannte darin getrocknete Kräuter, deren scharfer Geruch Cinna Kopfschmerzen machte, so dass er sich bis in den zugigen Flur zurückzog. Lange wiegte Ahtareths seine mit sonderbaren Symbolen tätowierten Schultern im Rhythmus seiner tonlosen Gebete. Die Augen verloren ihr Licht, das Gesicht die Farbe. Unversehens warf er den Kopf zurück und stierte in das Dachgestühl, schleuderte die Hölzer über das gestraffte weiße Tuch, auf dem er saß, und fischte blind drei Stäbchen aus dem Kreis, den er mit dem eigenen Blut gezogen hatte.
    Seine Weissagungen waren unverständlich hingemurmelte Verse, sibyllinische Lieder, denen Inguiotars Leute atemlos lauschten, bis die heisere Stimme des Mannes erstarb und er in sich zusammensank. Langsam erhob sich Thauris und trat hinaus in die Nacht, den Blick zum Himmel gerichtet, als erwarte sie eine Deutung von dort.

IX
    Hraban traf Cinna am nächsten Morgen im Haus an. Liuba war vor Tagesanbruch mit mehreren Männern aus dem Dorf zur Jagd aufgebrochen, so dass Cinna sich auf eine ruhige Zeit freute. Thauris’ bittere Medizin wollte er möglichst früh schlucken, und während er die letzten Reste der heißen Flüssigkeit hinunterwürgte, berührte Hraban seine Schulter.
    »Mutter schickt Sunja zum Quellheiligtum. Ich soll sie begleiten, weil es nicht ungefährlich ist. Wenn du nichts Besseres zu tun hast, werde ich dich mitnehmen.«
    Cinna nahm den Becher Wasser, den Swintha ihm reichte, und spülte den Brechreiz erregenden Geschmack hinunter, bevor er nickte. Ihm war nicht wohl bei der Sache.
    »Der kleine Wagen ist schon angespannt«, fügte Hraban hinzu. »Du brauchst nur noch deinen Mantel.«
    Erstaunt fuhr Cinna herum. Das wäre seine Aufgabe gewesen, und nun hielt Hraban auch noch den Umhang über dem Arm. Eilig legte er sich das schwere Tuch um und heftete es an der Schulter zusammen, als er erkannte, dass die Fibel, die im Stoff steckte, nicht das schmucklose, abgenutzte Ding war, das er gewohnt war, sondern eine neue Nadel aus blanker Bronze; der im Sprung überstreckte Leib eines Hundes schmückte die Halterung. Er stutzte, dann wollte er

Weitere Kostenlose Bücher