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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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einfachen Leute wollen nicht kämpfen. Die meisten befürchten, dass dieser Krieg nur dazu dient, die alten Zustände wieder einzuführen.«
    »Und was weißt du über … die andere Seite?«
    »Die römische Verwaltung in der Belgica?« Hraban seufzte. »So gut wie nichts. Unsere Spione und Kundschafter brachten kaum etwas in Erfahrung – außer dass ein riesiges Heer zusammengezogen wird: sieben oder acht Legionen.«
    »Wer führt das Kommando?«
    »Lucius Asprenas – er residiert in Vetera.«
    »Ich kenne ihn. Er ist bestens im Bilde über die Lage. Selbst wenn die germanischen Hilfstruppen weitgehend geschlossen übergelaufen sind, wird es Spitzel unter ihnen geben.« Abrupt blieb Cinna stehen, so dass Hraban gegen ihn prallte, und drehte sich um. »Er wird die Grenze befestigen und abwarten. Caesar Augustus wird Tiberius schicken. Und den werden vermutlich die alten Kämpen Marcus Vinicius und Aulus Caecina begleiten. Vielleicht auch Sentius Saturninus, der die Markomannen in die Zange genommen hat.«
    »Vinicius …?«, murmelte Hraban. »Und was bedeutet das?«
    »Tiberius ist zwar der Mann, von dem Augustus erwartet, dass er seinen Platz einnehmen wird, doch das Volk kann ihn nicht leiden. Er benötigt Erfolge, einen Triumph, er muss Spiele ausrichten, um die Leute auf seine Seite zu bringen.« Den Kopf senkend, ging Cinna weiter. »Er ist ein hervorragender Feldherr. Auch wenn ihn der Pöbel nicht mag, die Soldaten lieben ihn. Er ist sich nicht zu schade, sich unter seine Männer zu mischen – und er holt sich keine Rekruten ins Bett«, fügte er grimmig hinzu, und als er Hrabans bestürzte Miene sah, schnaubte er abfällig. »Alles schon vorgekommen.«
    Als der Wald sich lichtete, lag vor ihnen eine Bucht. Wo Cinna dem Uferrand auswich, zerbröselte der spröde gefrorene Schlamm. Am Scheitelpunkt der Bucht hingen von einem Ast die Fetzen einer verschossenen, ehemals wohl dunkelroten Tuchbahn schwer in das Wasser. Aus dem glatten Wasserspiegel ragte eine armdicke Stange, gekrönt von einem ausgeblichenen Pferdeschädel. Überall steckten hölzerne Statuen unterschiedlicher Größe im erstarrten Morast, unbeholfen geschnitzte menschenähnliche Figuren. Er blieb stehen.
    »Was ist das?«
    Anstelle einer Antwort legte Hraban einen Finger auf seine Lippen und ging an ihm vorüber, näherte sich einem hüfthohen Felsbrocken. In die Oberfläche des Felsens waren kleine Mulden geschliffen, und erdige Überreste und Scherben bedeckten die umgebende Erde.
    Aufmerksam musterte Hraban den Stein, prüfte den Mulch darauf zwischen den Fingern und mit der Nase und ließ die Blicke über den Boden schweifen.
    »Was suchst du?«
    Hraban sah auf. »Das ist unser wichtigster Opferstein. Immerhin hätte Arminius jemanden schicken können, ihn zu zerstören oder zumindest zu beschädigen, um uns zu schwächen.«
    »Hat er das?«
    Langsam kehrte Hraban zurück; noch immer blickte er argwöhnisch umher. Als er dicht an Cinna vorbeiging, steckte er ihm einen Dolch in den Gürtel.
    »Es scheint niemand hier gewesen zu sein«, wisperte er. »Aber ich traue ihm nicht. Er hat mehr als einmal gelogen.«
    Cinna unterzog die Umgebung einer eingehenden Musterung, ohne zu wissen, worauf er achten sollte. Nirgendwo fand er an diesem verwilderten Flecken Zeugnisse für die Gegenwart von Menschen, nur die in den Boden gerammten schmucklosen Figuren, der Saumpfad, der zu dem Felsbrocken führte, und der ringsum sichtbare, niedrige Zaun verrieten, dass hier eine ordnende Hand am Werk gewesen war. Zögernd setzte er sich in Bewegung, näherte sich dem Felsen, in dem er einen Altar vermutete. Der Mulch auf dessen Oberfläche enthielt Tonscherben, kleine Knochen und Reste von Getreidekörnern.
    »Hier verehrt ihr die Götter?«
    Vor ihm öffnete sich die Bucht, gab den Blick frei über die weite Fläche des Sees, auf das Dorf, das über dem Wald aufragte, und auf die weiten Hügel dahinter, an deren Hängen Felder angelegt waren, während Wald die Kuppen bedeckte. Seine Brust krampfte sich zusammen, und er hätte viel darum gegeben, diese dunklen Buckel sich in die von Licht überfluteten Hügel Umbriens verwandeln zu sehen, bedeckt von silbrig schimmernden Olivenhainen, durchbrochen von sanft rauschenden Pinien und schwarzen Zypressen.
    »Nicht alle«, erwiderte Hraban. »Dies ist der Hain, der Thunaras und Teiwas geweiht ist.«
    Seine Hand wies durch die breite Schneise, welche die Bucht gen Süden geschlagen hatte, und Cinnas Blick folgte

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