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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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warnend an. »Damit hat er viele Edle brüskiert. In den Stämmen sprechen die Edlen Recht über die einfachen Leute, kein fremder Richter.«
    »Und warum haben die Leute Varus’ Gerichte geradezu überrannt mit ihren Streitereien?«
    Eine umgestürzte Tanne, die weit auf die spiegelnde Wasserfläche hinausragte, versperrte den Weg und bot Hraban offenbar Gelegenheit, nicht sofort zu antworten. Behände sprang er über den Stamm und wartete auf Cinna, der sich schwer tat, dieses Hindernis zu überklettern.
    »Weil sie sich etwas davon erhofften«, brummte er, als Cinna erwartungsvoll die Brauen hob. »Die Stämme sind zerstritten. Viele haben den Wohlstand begrüßt, der mit euch kam -vor allem die einfachen Leute. Denn die Macht der Edlen war auf einmal beschnitten, konnte umgangen werden.«
    »Ich verstehe. Die Edlen waren unzufrieden – und ihre Söhne leisteten Dienst in unseren Hilfstruppen.«
    »Und Arminius ist schließlich der Sohn des mächtigsten Fürsten der Cherusker. Bevor er zu einem eurer Offiziere ernannt wurde, war er bereits der Anführer des stärksten Kriegerbundes.«
    Hraban wandte sich ab und setzte seinen Weg fort.
    »Also war es ein Fehler, einen Rechtsgelehrten wie Varus zum Statthalter zu machen?«
    »Wenn ihr eure Truppen vereinbarungsgemäß bezahlt hättet, vielleicht nicht. Vielleicht hättet ihr es tatsächlich geschafft, die Macht der Edlen zu verringern, wie es euch schon in den gallischen Provinzen gelungen ist. Aber ihr habt die Schlange an der eigenen Brust genährt. Habt die, die ihr schwächen wolltet, zugleich mit euren eigenen Waffen und Techniken versorgt.«
    »Wenn wir das Volk auf unserer Seite hatten –«
    »Nein, das Volk war nicht auf eurer Seite. Zumindest nicht alle Stämme. Dazu waren die Abgaben zu hoch, und eure Urteile erfüllten nicht die Hoffungen, welche die Bauern in sie gesetzt hatten.«
    Der Pfad führte dicht ans Ufer und verschwand in der kiesigen Mündung eines Baches, die sie überspringen mussten. Mühelos gelangte Hraban ans andere Ufer, die dicken Brocken, die als Tritthilfe dienten, kaum berührend. Cinna hingegen rutschte vom zweiten Stein ab und musste sich mit einem beherzten Satz retten. Eisig tränkte das Wasser seine Stiefel. Er hustete krampfhaft in den Ärmel, was jeden einzelnen der wunden Striemen aufflammen ließ.
    »Was ist es, was Arminius antreibt?«, krächzte er, als er sich wieder aufrichtete.
    »Ehrgeiz«, versetzte Hraban. »Was hätte denn aus ihm noch werden können? Er ist vier Winter älter als Liuba und konnte in römischen Diensten nicht mehr weiter aufsteigen: Er war in den Ritterstand erhoben worden, hatte eine tausend Mann starke Ala geführt – doch danach ist für einen Mann ohne römische Vorfahren Schluss, nicht wahr?«
    »Du meinst, er hat eine Gelegenheit erkannt …«
    »… und alles auf einen Wurf gesetzt? Ja, das glaube ich. Er hatte die Macht dazu und das bedingungslose Vertrauen des Statthalters.« Kopfschüttelnd blieb Hraban stehen. »Um den Sieg zu erzwingen, weihte er in einer heimlichen Opferzeremonie mit seinen Mitverschwörern alle lebenden Wesen, die den drei Legionen des Varus angehörten, den Göttern des Krieges und des Kampfes, Teiwas und Wodanas. Wenn du nicht einer anderen Legion angehört hättest, wärst du getötet worden.«
    »Vermutlich wäre das besser für mich gewesen«, knurrte Cinna und schritt an Hraban vorüber.
    »Das sehe ich anders.« Schnell folgte ihm Hraban; seine Hand legte sich zwischen Cinnas wunde Schulterblätter und glitt von da aus um seinen Oberarm. »Ich für meinen Teil bin nicht unglücklich darüber, dass du überlebt hast.«
    Als Cinna sich ihm nach kurzem Zögern zuwandte, blickte er in ein Lächeln. Hraban schubste ihn leicht vorwärts, und hintereinander setzten sie ihren Weg auf dem Saumpfad fort.
    »Arminius plant für das nächste Jahr, den Krieg fortzusetzen, so wie er ihn begonnen hat – abwarten, und wenn der Feind ins Land rückt, Wetter und Gelände ausnutzend, den Heereszug auf dem Marsch immer wieder aus dem Hinterhalt angreifen.« Er hielt inne. »Aber es gibt auch andere Meinungen.«
    »Welche?«
    »Mehrere Fürsten wollen den Krieg nicht. Die Chatten, unter ihnen der Bruder meiner Mutter, standen im letzten Jahr zwei hochgerüsteten Legionen und einigen Hilfstruppen gegenüber, die aus Gallien gut versorgt werden. Die lassen sich nicht so einfach überrennen. Und nicht nur diese Fürsten suchen Verhandlungen – es gibt viele, die so denken. Die

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