Der Tristan-Betrug
Sinekure für einen verdienten Soldaten. Rein bürokratisch, hat Lana mir erzählt .«
»Sie müssen improvisieren, mein Junge. Lassen Sie sich etwas einfallen. Erfinden Sie eine Beförderung.«
»Sie verlangen von mir, dass ich sie benutze. Das ist der wahre Grund für meinen Einsatz in Moskau, stimmt's?«
Das vermutete er schon lange, aber er wollte es von Corky selbst hören.
»Ich würde das anders ausdrücken. Ich möchte, dass Sie sie anwerben. Ich möchte, dass Sie Rudolf von Schüssler benutzen. Sie sollen ihn als Kanal benutzen, durch den Informationen zum Oberkommando der Wehrmacht gelangen. Strategische und taktische Informationen - Nachrichtenmaterial, das die Entscheidungen der Deutschen beeinflussen wird.«
»Jesus, Corky, Sie verlangen, dass ich Lana in eine unglaublich riskante Lage bringe. Verdammt noch mal, sie ist eine Ballerina, eine Tänzerin! Sie ist keine ausgebildete Agentin. Sie ist keine Spionin - sie ist Künstlerin!«
»Sie ist auch Schauspielerin, Stephen. Einige meiner besten Agenten waren beim Theater.«
»Und was passiert mit ihr, wenn sie einen Fehler macht und geschnappt wird?«
»Stephen«, sagte Corcoran geduldig, »muss ich Sie daran erinnern, in welcher Lage sie sich schon befindet? Mit Ausländern zu tun zu haben, ist heutzutage für jeden Sowjetbürger riskant. Aber sie ist nicht irgendeine gewöhnliche Russin. Sie ist eine berühmte Tänzerin, deren Vater ein prominenter General ist, und sie schläft mit einem deutschen Diplomaten. Vergessen Sie den Hitler-Stalin-Pakt . Die sowjetischen Geheimdienste überwachen sie bestimmt sehr intensiv.«
Metcalfe dachte an Lanas Aufpasser Kundrow. Intensiver, als du ahnst, dachte er. Aber von Schüssler hatte sich nicht aus Spionagegründen an Lana herangemacht, davon war er überzeugt. Falls sein Interesse für sie irgendwie mit der Position ihres Vaters zusammenhing, hatte Lana selbst nach Monaten noch nichts davon gemerkt. Nein, die Motive des Deutschen waren rein sexueller Natur. Lana war eine strahlend schöne Frau, was Grund genug gewesen wäre, sich für sie zu interessieren. Außerdem war sie als Primaballerina eine Trophäe, die man herumzeigen konnte. Nullen mit Minderwertigkeitskomplexen wie von Schüssler umgaben sich gern mit schönen Frauen, weil sie hofften, etwas von ihrem Glanz werde auch auf sie fallen. Nachdem er Lana mit dem Hinweis auf die Existenz eines geheimen Dossiers, dessen Weitergabe Michail Baranows sofortige Hinrichtung zur Folge haben konnte, erpresst hatte, war er nie auf ihren Vater zu sprechen gekommen.
»Und was ist mit dem Vater?«, fasste Metcalfe nach.
»Ihn würde ich in Gefahr bringen.«
»Ihr Vater hat - wie soll ich das taktvoll ausdrücken? - keine allzu lange Lebenserwartung mehr. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er wie die meisten seiner Kameraden an der Spitze der Roten Armee verhaftet wird.«
»Bisher hat er überlebt.«
»Sein Name steht auf einer Liste. Das wissen wir zufällig. Der NKWD nennt sie kniga smerty - Buch des Todes. Die Verhaftungen gehen systematisch weiter. Baranow ist in ein paar Wochen dran. Sobald er verhaftet ist, kann Lana nicht mehr als nützlicher Kanal für Desinformation dienen, daher drängt die Zeit. Jedenfalls dürfte feststehen, dass der NKWD sich schon jetzt fragt, ob sie vielleicht ein Sicherheitsrisiko ist, stimmt's? Sie sitzt längst aus eigener Schuld in der Klemme.«
»Aber nicht freiwillig«, widersprach Metcalfe, während er sich Schweißperlen von der Stirn tupfte. »Sie hatte keine andere Wahl.«
»Bitte! Und lassen Sie sich daran erinnern, dass wir miterleben, wie die Nazis allmählich ganz Europa verschlingen. Oder vielmehr nicht allmählich, sondern in riesigen Portionen. Die gottverdammte Blitzkriegsmaschinerie der Deutschen erkämpft einen Sieg nach dem anderen. Die Freiheit der Welt war noch nie so gefährdet wie heute. Frankreich liegt am Boden; Hitler hat auf dem europäischen Kontinent keine Feinde mehr; England kann nicht mehr lange durchhalten. Wenn wir die Chance haben, den deutschen Siegeslauf aufzuhalten, ist es unsere gottverdammte Pflicht, das zu tun. Dazu sind Sie dort. Nichts ist gegenwärtig wichtiger. Und ich glaube, dass uns eine Chance, wirkungsvoll einzugreifen, in den Schoß gefallen ist. Es wäre Wahnsinn, sie nicht zu ergreifen. Oder noch schlimmer: verbrecherische Nachlässigkeit.« Corky machte eine Pause; Metcalfe schwieg.
»Sind Sie noch da, Stephen?«
»Und was wären das für Dokumente, die Lana in
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