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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Botschaft. Eigentlich ein Mann in untergeordneter Stellung, der ...«
    »Auf wessen Anweisung?«
    »Das weiß ich nicht. Und ich bezweifle, dass es mir gelingen wird, das in nächster Zeit herauszubekommen. Ich weiß nur eines, Metcalfe: Hier mischen jede Menge Spieler mit. Und wo's viele Spieler gibt, wird jemand reingelegt. Wenn Sie nächstes Mal den schwarzen Kanal benützen, können Sie ebenso gut über Radio Moskau senden. Tun Sie sich - und mir - einen Gefallen. Verlassen Sie die Botschaft durch den rückwärtigen Lieferanteneingang. Und kommen Sie nicht wieder, Metcalfe. Bitte. Kommen Sie niemals wieder.«
    *
    Der Geiger saß auf einer Parkbank gegenüber der amerikanischen Botschaft. Das Hauptthema von Schuberts Quartett »Der Tod und das Mädchen« ging ihm angenehm durch den Kopf. Er liebte es, wie die zornigen, turbulenten Triolen der Einleitung in beruhigende, samtschwarze Kadenzen in d-Moll übergingen, wie die Tonart von Dur nach Moll wechselte, wobei die scheinbar süße Melodie den ominösen Unterton beibehielt. Während er beobachtete, wie Menschen das Gebäude durch den Haupteingang betraten oder verließen, bemühte er sich -natürlich erfolglos -, die Moskauer Gerüche, die einem den Magen umdrehen konnten, auszublenden. Er kannte sie inzwischen nur allzu gut: den ranzigen Schweißgeruch der Männer, in den sich oft Fuselgestank mischte, die ungewaschenen Frauen, den nach Zwiebeln stinkenden Atem, den billigen Tabak, den allgegenwärtigen Kohlgeruch. Bis vor kurzem hatte er geglaubt, nichts könne schlimmer sein als die Franzosen, aber er hatte sich getäuscht - die Russen waren viel schlimmer. Diese Gerüche bildeten inzwischen den Hintergrund, vor dem er jeden Engländer oder Amerikaner sofort erkennen konnte.
    Müller, Kleists Führungsoffizier beim Sicherheitsdienst, hatte triftige Gründe für die Annahme, Daniel Eigen, ein Angehöriger des in Paris operierenden Spionagerings, sei in Moskau eingetroffen. Und Reinhard Heydrich selbst hatte den Verdacht, dieser Eigen sei in eine wichtige Intrige verwickelt, deretwegen ermittelt werden müsse. Den Kerl liquidieren konnte jeder, aber nur wenige SD-Agenten besaßen die Fähigkeit, Ermittlungen zu führen und blitzschnell zu töten, wenn es die Umstände erforderten.
    Die französischen Grenzen waren selbst unter deutscher Kontrolle durchlässig. Menschen konnten das Land auf allen möglichen Wegen verlassen und taten es auch. In Paris lebten zahlreiche Engländer und Amerikaner, von denen viele nicht registriert waren, sodass sich praktisch nicht feststellen ließ, wer von ihnen in den letzten Tagen aus der Stadt verschwunden war. In Moskau waren die Verhältnisse viel übersichtlicher. Natürlich konnte ein Ausländer auch hier mit einem gefälschten Pass einreisen, aber in Russland, wo die Kontrollen schärfer waren, war das weit schwieriger. Und die Anzahl der pro Tag einreisenden Ausländer war extrem gering. Wenn er im Lauf des Tages die Fremdenliste erhielt, würde sie bestimmt nicht lang sein. Auch das war ein Vorteil: Eine kurze Liste von Verdächtigen ließ sich rasch abarbeiten.
    Vor der britischen Botschaft hatte Kleist einen weiteren SD-Agenten postiert. Zu zweit hatten sie gute Chancen, die Zielperson zu identifizieren. Immerhin war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er die Botschaft seines Landes aufsuchen würde; das taten sie alle.
    Ein Mann in einem beigen Trenchcoat trat aus dem Gebäude. War er die Zielperson?
    Kleist stand auf, überquerte die Avenue und hatte den Mann bald eingeholt. »Entschuldigung«, sagte er mit freundlicher Miene. »Wir kennen uns, nicht wahr?«
    Aber noch bevor der andere den Mund öffnete, wusste der Geiger, dass dies nicht die Zielperson war. Kleist nahm den typischen Geruch von Tierfetten wahr, der seiner Kleidung anhaftete: Schwein und Gans, beides mit Paprika überlagert. Der Mann war Ungar, was auch sein Akzent bewies.
    »Nein, ich glaube nicht«, antwortete der Mann. »Tut mir Leid.«
    »Entschuldigung«, sagte der Geiger. »Ich habe Sie mit jemandem verwechselt.«

Kapitel Zwanzig
    Die rundliche, schäbig gekleidete Frau saß mit dem tief ins Gesicht gezogenen Kopftuch einer babuschka in dem Park am Swerdlow-Platz auf einer Bank. Metcalfe erkannte sie nicht auf den ersten Blick, so gut hatte Lana sich getarnt. Das Kostüm stammte vermutlich aus dem Fundus des Bolschoitheaters und war an den richtigen Stellen gepolstert, um ihre schlanke Gestalt in eine typisch übergewichtige russische Bauersfrau

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