Der Tristan-Betrug
mittleren Alters zu verwandeln.
Erst nachdem er aus sicherer Entfernung festgestellt hatte, dass dort tatsächlich Lana saß, ging er an ihrer Bank vorbei. Lana schien ihn nicht zu erkennen, sie sah nicht einmal zu ihm auf.
Er war sich darüber im Klaren, dass er vermutlich überwacht wurde; obwohl er keinen Beschatter sah, musste er annehmen, dass der blonde NKWD-Agent mit den blassgrauen Augen sich irgendwo in der Nähe versteckt hielt und ihn beobachtete. Auch wenn er vielleicht nicht tatsächlich auf Schritt und Tritt überwacht wurde, würde er vorsichtshalber so tun müssen, als sei das der Fall.
Bei ihrer Begegnung im Stall hatte er Lana genaue Anweisungen für dieses Rendezvous gegeben. Wenn sie sich in Zukunft trafen, hatte er ihr erklärt, würden sie sich an die Regeln für konspirative Treffs halten müssen - er hatte den russischen Ausdruck »po vsem pravilam iskusstva« benutzt, der wörtlich »die Regeln der Kunst« hieß.
Lana hatte ängstlich und erleichtert zugleich reagiert. Die Heimlichtuerei ängstigte sie, aber sie war Metcalfe auch für seine Gründlichkeit dankbar, die sie - und ihren Vater -schützen würde. Aber als Metcalfe ihr erklärt hatte, welche Methoden sie anwenden mussten, war ihr etwas anderes eingefallen, und sie hatte gefragt: »Wieso verstehst du so viel von solchen Dingen, Stephen? Woher kommt's, dass du diese Regeln der Kunst kennst? Ich dachte, du seist Geschäftsmann -aber welcher Geschäftsmann versteht sich aufs Handwerk eines Spions?«
Metcalfe hatte mit den Schultern gezuckt und mit hoffentlich überzeugend klingender Lässigkeit geantwortet:
»Ich habe viele einschlägige Hollywoodfilme gesehen, duschka, das weißt du.«
Nachdem er jetzt etwa hundert Meter an ihrer Bank vorbei war, verlangsamte er seinen Schritt, als sei er sich nicht ganz darüber im Klaren, in welche Richtung er weitergehen sollte. An dieser Stelle wurde er von Lana eingeholt. Sie hatte nicht nur ihr Aussehen, sondern auch ihren Gang verändert hatte: Sie ging rasch, aber leicht hinkend, als habe sie einen Gichtanfall oder ein Hüftleiden.
Als sie Metcalfe auf dem schmalen Fußweg überholte, flüsterte sie ihm rasch zu: »Die Wassilijewski-Gasse zweigt von der Puschkinstraße ab.« Dann hastete sie weiter. Er sah sich unsicher im Park um, als müsse er sich erneut orientieren; dann setzte er sich wieder in Bewegung und blieb ständig ungefähr fünfzig Meter hinter Lana. Er staunte darüber, wie sehr sie ihr Aussehen verändert hatte, wie gut sie den Gang einer grantigen älteren Frau imitierte. Sie verließ den Park, stürzte sich in den Verkehr und überquerte die Puschkinstraße mit der unwirschen Resolutheit einer älteren Bauersfrau.
Durch dieses Verfahren »reinigten« sie sich, wie Corky und seine Ausbilder es genannt hätten, und stellten sicher, dass sie nicht beschattet wurden. Metcalfe beobachtete, wie sie in die winzige Wassilijewski-Gasse abbog, und folgte ihr. Lana näherte sich der Holztür eines Wohnhauses, neben der eine Reihe von Klingelknöpfen mit handgeschriebenen Namen in kleinen Messingrahmen in die Hauswand eingelassen war. Das Gebäude war alt und ziemlich baufällig; drinnen gab es keinen Eingangsbereich, sondern nur einen beengten Vorraum, aus dem eine Holztreppe nach oben führte. Im Treppenhaus roch es nach Kohlsuppe und machorka. Er folgte ihr auf der mit einem abgetretenen Läufer belegten knarrenden Treppe in den zweiten Stock hinauf zu einer Wohnungstür.
Metcalfe betrat eine dunkle, enge, muffig riechende Wohnung und schloss die Tür hinter sich. Lana fiel ihm sofort um den Hals. Ihre ausgepolsterte Gestalt fühlte sich unter seinen Händen fremdartig und unbekannt an, aber ihre Züge waren so atemberaubend schön wie immer, ihre Lippen warm und einladend, sodass er augenblicklich erregt war.
Sie löste sich aus seiner Umarmung, trat einen kleinen Schritt zurück. »Hier müssten wir sicher sein, Liebster.«
»Wer wohnt hier?«
»Eine Tänzerin. Eine ehemalige Tänzerin, müsste ich sagen. Sie hat die Avancen unseres Choreografen zurückgewiesen, deshalb arbeitet sie jetzt als Putzfrau bei TASS, wo auch ihre Mutter arbeitet. Mascha kann von Glück sagen, dass sie überhaupt Arbeit hat.«
»Ihre Mutter und sie arbeiten jetzt beide?«
Lana nickte. »Ich habe ihr erzählt, dass ich . jemanden kennen gelernt habe. Sie weiß, dass ich mich für diesen Gefallen revanchieren würde, wenn sie jemals einen Ort brauchte, an dem sie ungestört sein wollte, ein
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