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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Grund: Brachten die Deutschen sie niedriger an, wurden ihre dämlichen Plakate unweigerlich abgerissen oder beschmiert. Aufgebrachte Pariser bekritzelten sie mit Sprüchen wie »Tod den boches!« oder »Gott segne England!«
    Er sah ein Plakat, auf dem ein beleibter Winston Churchill grinsend seine Zigarre rauchte, während neben ihm eine Mutter mit einem mageren, schreienden Säugling auf dem Arm stand. »Seht ihr, wie unsere Kinder unter der Blockade leiden?«, fragte die Inschrift. Damit war die britische Seeblockade gemeint, aber jeder wusste, dass das Unsinn war. Obwohl dieses Plakat so hoch hing, hatte jemand daraufgekritzelt: »Wo sind unsere Kartoffeln?« Alle waren zornig, denn fast die gesamte französische Kartoffelernte ging nach Deutschland; das war die Wahrheit.
    Ein weiteres Plakat, diesmal nur mit Text: Êtes-vous en règle? Sind Ihre Papiere in Ordnung? Oder: Sind Sie in Ordnung? Für den Fall, dass man von französischen gendarmes oder irgendeinem fonctionnaire kontrolliert wurde - die waren schlimmer als die deutschen Soldaten -, musste man ständig seine Kennkarte, seine carte d'identité, mitführen.
    Der junge Mann hatte stets seine Papiere bei sich. Sogar in mehrfacher Ausfertigung. Mit unterschiedlichen Namen, unterschiedlichen Nationalitäten. Sie ermöglichten ihm die raschen Wechsel, zu denen er oft gezwungen war.
    Schließlich erreichte er sein Ziel, ein altes, fast baufälliges Klinkergebäude in einem Allerweltsviertel. An einer schmiedeeisernen Halterung baumelte ein verblasstes Holzschild: LE CAVEAU, der Keller. Das Schild bezeichnete eine Kellerbar, zu der einige abgetretene Ziegelstufen hinunterführten. Das Verdunklungsrouleau des einzigen kleinen Fensters war heruntergezogen, aber auf beiden Seiten leckte Licht heraus.
    Daniel sah auf seine Armbanduhr. Es war nach Mitternacht, kurz nach Beginn der Ausgangssperre, die ces messieurs - die Deutschen - über Paris verhängt hatten.
    Diese Bar hatte jedoch nicht geschlossen. Die gendarmes und die Deutschen sahen darüber hinweg, dass sie bis spätnachts geöffnet blieb. Schmiergelder waren gezahlt, die richtigen Leute waren geschmiert, kostenlose Drinks waren serviert worden.
    Er stieg die wenigen Stufen hinunter und zog dreimal an einem altmodischen Klingelzug. Von drinnen war zu hören, wie das Klingelzeichen die Kakophonie aus Stimmen und lauter Jazzmusik übertönte.
    Sekunden später erschien ein Lichtpunkt in dem Spion in der Mitte der massiven Holztür, deren Füllung schwarz abgesetzt war. Das Licht schien zu flackern, als jemand ihn in Augenschein nahm, dann ging die Tür nach innen auf, um ihn einzulassen.
    Die Bar war tatsächlich ein caveau - unebener, von Rissen durchzogener Steinboden, klebrig von verschütteten Getränken; wasserfleckige, ungestrichene Ziegelwände; niedrige Decke. Die Luft war blau von Tabakqualm und stank nach Schweiß, abgestandenem Rauch - noch dazu von billigem Tabak - und schlechtem Fusel. Aus dem Radio kam blechern scheppernde Musik. An der verkratzten Theke saßen sechs oder sieben ungehobelt aussehende Arbeiter und eine Frau, vermutlich eine Prostituierte. Sie alle sahen ihm entgegen - vage neugierig und feindselig zugleich.
    Der Barkeeper, der ihn eingelassen hatte, begrüßte ihn.
    »Lange nicht mehr gesehen, Daniel«, sagte Pasquale, ein hagerer, alter Mann, so verwittert wie seine Bar. »Aber ich freue mich immer, wenn du vorbeischaust.« Er grinste und ließ dabei ungleichmäßige, von Tabak verfärbte braune Zähne und zwei Goldzähne sehen. Dann brachte er sein Gesicht mit der lederartigen Haut dicht an Daniels heran. »Gibt's noch immer keine Gitanes?«
    »Ich denke, dass ich morgen, spätestens übermorgen welche reinbekomme.«
    »Wunderbar. Sie kosten immer noch unter hundert Franc, oder etwa nicht?«
    »Über hundert.« Daniel senkte die Stimme. »Für andere. Für dich gibt's einen speziellen Barkeeper-Rabatt.«
    Der Alte kniff misstrauisch die Augen zusammen.
    »Wie viel?«
    »Für dich kostenlos.«
    Pasquale lachte herzhaft, ein rasselndes Raucherlachen. Eigen konnte sich nicht vorstellen, was für merde der Barkeeper normalerweise rauchte. »Dein Preis ist in Ordnung«, sagte er und kehrte an seinen Platz hinter der Theke zurück. »Möchtest du einen Drink?«
    Eigen schüttelte den Kopf.
    »Schottischen Whisky? Einen Cognac? Musst du mal telefonieren?« Er deutete auf die Telefonzelle am Ende der Theke, deren Scheibe herausgebrochen war - von Pasquale als Warnung für seine

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