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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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bedeuten, der unbedingt vermieden werden muss. Den will keiner von uns. Wir sollten England isolieren. Das erfordert Kooperation mit der Sowjetunion.«
    »Das wäre ein Einfrontenkrieg! England ist nicht mehr gefährlich, sondern nur noch lästig«, sagte Schmundt.
    »England ist bereits geschlagen - wir müssen es nur noch dazu bringen, seine Niederlage einzugestehen. Ist Russland niedergeworfen, gibt England den Kampf auf - darauf können Sie sich verlassen!« »Sie sagen >Russland niederwerfen^ als sei das ein Kinderspiel«, wandte Halder ein, »aber in Wirklichkeit ist die Rote Armee ein Koloss.«
    »Dieser russische >Koloss<«, behauptete Schmundt verächtlich, »ist eine Schweinsblase - sticht man sie an, zerplatzt sie.«
    »Russland anzugreifen, wäre blanker Wahnsinn«, sagte Halder. »Das wäre Selbstmord. Uns bleibt nichts anderes übrig, als den so genannten Grenz- und Freundschaftsvertrag einzuhalten.«
    Canaris räusperte sich. »Darf ich ein paar einschlägige Informationen beisteuern?«
    Als keiner widersprach, fuhr er fort: »Die Abwehr hat aus Moskau sehr wertvolles Material erhalten.« Aus seiner Aktentasche zog er mit dramatischem Schwung mehrere Schnellhefter voller Fotokopien maschinengeschriebener Dokumente mit jeweils beigefügten Übersetzungen ins Deutsche und verteilte sie. Er begann beim Führer.
    Hitler setzte seine Lesebrille auf. Er und die Offiziere vertieften sich in die Schriftstücke.
    Nach einigen Minuten sah der Führer auf. »Ist dieses Material echt?«, fragte er gespannt.
    »Meine Sachverständigen bestätigen seine Echtheit aufgrund des Papiers, der Farbbänder, der Stempel, der Unterschriften und so weiter«, antwortete Canaris.
    »Heiliger Strohsack!«, sagte Schmundt laut. »Die Rote Armee ist ein Kartenhaus!«
    »Woher stammt dieses Zeug?«, erkundigte sich von Brauchitsch misstrauisch. »Von einem Ihrer Agenten in Moskau?«
    Canaris schüttelte den Kopf. »In Moskau an Geheimdienstinformationen heranzukommen ist verteufelt schwierig. Ein Araber in wallendem Burnus könnte leichter ungesehen durch Berlin spazieren, als ein ausländischer Agent sich in Russland bewegen könnte. Nein, der Informant ist ein General in leitender Stellung im Moskauer Volkskommissariat für Verteidigung.«
    »Ein Renegat?«, fragte Halder. »Ein Verräter?«
    »Ganz im Gegenteil«, antwortete Canaris. »Ein loyaler General, der loyal bleibt. Wir haben eine Quelle, die ihm, sagen wir mal, nahe steht.«
    »Diese Quelle ist zuverlässig?«
    »Die Quelle gehört zur zuverlässigsten Sorte überhaupt«, beteuerte der Admiral. »Keine ausgebildete Agentin, sondern eine Zivilistin. Eine gewöhnliche Frau, die nichts von nachrichtendienstlicher Tätigkeit versteht.«
    »Also eine Sekretärin«, warf Halder ein.
    »Besser als das - sie ist die Tochter des Generals.«
    Schmundt sah von den Schriftstücken auf. »Die bolschewistischen Streitkräfte sind nach den Säuberungen völlig marode«, sagte er. »Aber sie rüsten wieder auf - und das ziemlich schnell.«
    »In spätestens zwei Jahren«, bestätigte Canaris, »sind sie wieder stark.«
    »Wie bald können wir angreifen?«, fragte Hitler seinen Adjutanten.
    Der Oberst gestattete sich ein siegesgewisses Lächeln.
    »Nach dem Winter. Im zeitigen Frühjahr. Spätestens im Juni sind wir so weit.«
    Hitler stand auf, und die anderen beeilten sich, seinem Beispiel zu folgen. »Das Schicksal selbst gibt uns diese Chance«, verkündete er, »aber wir müssen rasch handeln. Ich habe diese herrliche Wehrmacht nicht geschaffen, um sie dann untätig versauern zu lassen. Dieser Krieg wird nicht von selbst enden. Ich erwarte, dass die Herren Oberbefehlshaber mir schnellstens erste Pläne für einen Blitzkrieg gegen die Sowjetunion vorlegen.«

Kapitel Sechsundzwanzig
    MOSKAU, NOVEMBER 1940
    Die Lage des toten Briefkastens beunruhigte Metcalfe. Er war zu exponiert, zu öffentlich sichtbar; seines Wissens gab es dort nur einen Zugang und vermutlich keinen Hinterausgang. Metcalfe hätte diesen Ort nicht gewählt, aber er hatte auf die Auswahl keinen Einfluss nehmen können; die Entscheidung lag bei Amos Hilliard, der den Ort festgelegt hatte.
    Einen Vorteil hatte dieser tote Briefkasten jedoch: Er war leicht zu überwachen. Metcalfe konnte den Fußgängerverkehr beobachten, alle im Auge behalten, die in der Puschkinstraße das Geschäft für Damenschuhe, den Fleischerladen und das Gebäude dazwischen betraten oder verließen, und darauf achten, ob irgendjemand sich

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