Der Tristan-Betrug
hingerichtet werden.
Metcalfes Herz jagte, und er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Die Konsequenzen waren entsetzlich! Er warf sich nach links, rannte die Puschkinstraße entlang davon und sah in einer spiegelnden Schaufensterscheibe, dass der Blonde ihm weiter auf den Fersen war. Metcalfe machte abrupt Halt, änderte seine Richtung, schlug einen Haken nach links und hetzte im Zickzack über den Platz. Der Blonde folgte ihm, imitierte Metcalfes ruckartige Richtungsänderungen und achtete dabei so wenig auf andere Passanten wie der Mann, den er hartnäckig verfolgte.
Der NKWD-Mann hatte es auf ihn abgesehen! Hier ging es nicht mehr nur um Überwachung; der Blonde wollte Metcalfe diesmal offensichtlich verhaften.
Großer Gott, nein! Das musste er verhindern.
Metcalfe warf sich erneut herum, verschwand in einer engen Gasse zwischen zwei baufälligen alten Gebäuden und rannte mit voller Geschwindigkeit weiter.
Der Blonde ließ sich nicht täuschen: Er folgte Metcalfe in die Gasse, aber sein Tempo ließ seltsamerweise nach. War der NKWD-Mann schon müde? Wie konnte das sein? Als Metcalfe hastig einen Blick über die Schulter warf, sah er den Blonden mit grauen Zähnen breit grinsen. Weshalb?
Unmittelbar vor ihm knickte die Gasse rechts ab. Metcalfe steigerte sein Tempo, schlitterte geradezu um die Ecke . und sah dann, weshalb sein Verfolger gegrinst hatte.
Vor ihm lag eine Sackgasse.
Die abknickende Gasse führte nicht bis zur nächsten Querstraße weiter. Sie endete hier.
Metcalfe erstarrte, warf sich herum und sah den Blonden mit schussbereiter Pistole langsam auf sich zukommen.
»Stoj!«, rief der Mann, dessen tiefe Stimme von den Hauswänden widerhallte: Stopp!
»Hände hoch, bitte!« Der Blonde sprach jetzt Englisch.
Er war über dreißig Meter entfernt, zu weit weg, um treffsicher schießen zu können - und würde er überhaupt schießen? Das erschien Metcalfe wenig wahrscheinlich. Man verfolgte sein Opfer nicht so lange, um es dann zu erschießen. Der Blonde würde ihn ausfragen, nach allen Regeln der Kunst verhören wollen, dessen war Metcalfe sich sicher.
Metcalfe riss die Colt-Pistole heraus, die Hilliard ihm gegeben hatte, und zielte damit auf den NKWD-Mann, der aber nur grinste. »Keine gute Idee, Genosse Metcalfe. Weglaufen hat keinen Sinn.«
»Ach, wirklich nicht?«
»Dies ist nicht Ihre Stadt. Ich kenne die Moskauer Straßen viel besser als Sie. Man sollte immer wissen, was man nicht weiß.«
»Ich werd's mir merken.«
»Alles ist viel einfacher, wenn Sie kooperieren. Wir werden miteinander reden.«
»Weswegen wollen Sie mich verhaften?«, fragte Metcalfe. »Wegen des Verbrechens, in Moskau ein Ausländer zu sein?«
»Wir wissen viel mehr über Sie, als Sie denken«, antwortete der Mann.
Metcalfe sah sich verzweifelt nach dem abbröckelnden Ziegelmauerwerk der Gebäude um, die den Innenhof begrenzten, in dem die Sackgasse endete. Hier gab es keine Feuertreppe. An den kaum gegliederten Fassaden gab es auch keine Vorsprünge, keine Simse, an denen er sich wie in Paris hätte hochziehen können.
Trotzdem war es unvorstellbar, sich mit den gefälschten Dokumenten in der Tasche verhaften zu lassen.
Er würde sie irgendwo wegwerfen müssen, aber wo? Es gab keinen Ort, verdammt noch mal, von dem der Blonde sie sich nicht hätte holen können.
Sein Blick fiel auf das alte Kupferfallrohr, das von der Regenrinne eines Gebäudes herabführte. Es sah nicht sehr stabil aus, stellte aber die einzige Fluchtmöglichkeit dar.
»Also gut«, sagte Metcalfe, ohne seine Pistole sinken zu lassen. »Blieben Sie stehen, dann können wir vielleicht eine Vereinbarung treffen.«
Der Mann blieb stehen, hielt seine Pistole jedoch weiter mit ausgestreckten Armen und zwei Händen vor dem Körper. Er nickte.
Plötzlich drückte Metcalfe ab. Der Schuss ging dicht über die linke Schulter des Russen hinweg. Der Agent duckte sich und schoss instinktiv zurück, verfehlte Metcalfe aber um einige Meter. Verfehlte ihn absichtlich.
Metcalfe nützte die entstandene Verwirrung aus, rammte die Pistole in den Hosenbund, war mit einem Satz bei dem Fallrohr, packte es mit beiden Händen und begann rasch hinaufzuklettern. »Wenn Sie irgendwas über mich wüssten«, rief er dabei, »dann wüssten Sie, dass ich mich nicht fangen lasse!« Das Kupferrohr war tatsächlich so wackelig, dass mehrere Halterungen aus dem Mauerwerk rissen. Trotzdem blieb es an der Dachrinne festgelötet, und die meisten Halterungen erwiesen sich
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