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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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ein Ermordeter gelegen hatte.
    Es war, als habe die Leiche nie hier gelegen. Die Ermittler hatten sie wegschaffen, das Bad putzen und die Spuren am Tatort verwischen lassen - aber weshalb?
    Was zum Teufel ging hier vor?
    *
    Aus einer anderen Telefonzelle, die einige Straßen vom Hotel Metropol entfernt stand, rief Metcalfe die Botschaft an und verlangte Hilliard.
    Der Diplomat meldete sich mit rauer, fast barscher Stimme selbst am Telefon: »Hilliard.«
    »Roberts«, sagte Metcalfe, denn diesen Namen hatten sie vereinbart. Dass die Telefone der Botschaft abgehört wurden, verstand sich von selbst.
    Nun entstand eine Pause von zehn, fünfzehn Sekunden. Dann sagte Milliard ein einziges Wort: »Tain.«
    »Wie bitte?«, fragte Metcalfe.
    »Tain. Nicht wie in Mark Twain, sondern Tain.«
    Tain. Das war das nächste Wort auf der Liste, die Corcoran ihm mitgegeben hatte. Ein eigenartiges, selten gebrauchtes Wort für die metallische Beschichtung von Spiegelrückseiten; es kam vom französischen tain für »Stanniol«.
    Schon die Wortwahl war typisch für Corky, der Wörter und Ausdrücke liebte, die mit allen möglichen Nebenbedeutungen befrachtet waren. Die rückseitige Beschichtung eines Spiegels. Das erinnerte an eine alte Scherzfrage, die Corky so gern stellte:
    Wieso vertauscht ein Spiegel rechts und links, aber nicht oben und unten?
    Und an etwas anderes: Die Wahrheit ist ein zerbrochener Spiegel. Schneiden Sie sich nicht an den Scherben, hatte er Metcalfe gewarnt.
    Es war, als habe Corcoran ihn allein durch die Wahl seiner Kennwörter von Anfang an warnen wollen. Metcalfe hatte eine Welt betreten, die einem riesigen Spiegelkabinett glich, eine Welt voller Gefahren.
    Aber Corky, selbst Corky, hatte keine Ahnung, wie gefährlich sie wirklich war.
    *
    Rudolf von Schüssler blätterte die Schriftstücke nochmals durch. Erstaunlich! Wirklich erstaunlich! Ein Erfolg seines vortrefflichen Intellekts . Es war unbescheiden, wenn er das selbst sagte, aber schon das Erkennen von Gelegenheiten macht den überlegenen Geist aus, das hatte der Führer selbst gesagt. Er hatte die Gelegenheit beim Schopf gepackt - dass sein geliebter Roter Mohn Zugang zu Schriftstücken aus der sowjetischen Führungsspitze hatte. Und die Tatsache, dass sie ihm die Dokumente übergeben hatte: ein Beweis für ihre Liebe zu ihm. Sie war in ihn verliebt, ihm restlos verfallen; trotz ihres durchtrainierten Tänzerinnenkörpers war sie ein zerbrechliches Wesen. Denn sie verkörperte in jeder Beziehung das ewig Weibliche: Das Geben lag ebenso in ihrer Natur wie das Nehmen beim Manne. Und jetzt würde Adolf Hitler bald nach dem Imperium greifen, das ihm nach dem Recht des Stärkeren zustand.
    Das würde Rudolf von Schüsslers Ruf sichern. Nein, noch besser, es würde ihm Anerkennung einbringen. Er würde endlich anerkannt werden. Als das anerkannt, was er tatsächlich war. Er konnte bereits sehen, wie der Führer ihm das Deutsche Kreuz in Gold an seine Diplomatenuniform heftete. Was Ludwig von Schüssler durch Tatkraft und schieres Draufgängertum erreicht hatte, hatte sein Nachkomme sich durch List und Schlauheit gesichert - geistige Qualitäten, die scheinbar weicher, aber trotzdem nicht weniger imponierend waren.
    Sein Herz jagte, als er auf dem Korridor zu Botschafter von der Schulenburgs Bürosuite lief. Während er einige seiner Kollegen mit einem knappen Nicken bedachte, blasiert wirkend an ihnen vorbeihastete und ihnen kaum den Kopf zuwandte, erinnerte er sich an verschiedene herablassende Bemerkungen, die er im Auswärtigen Amt lange vor seiner Versetzung nach Moskau gehört hatte. Diese Leute würden ihn bald mit anderen Augen sehen. Mit Informationen gewann man Kriege! So war's schon immer gewesen - man musste sich selbst und man musste den Feind kennen. Und je detaillierter Erkenntnisse waren, desto wertvoller waren sie. Von Schüsslers Blick überflog das oberste Blatt mit den sauber getippten Zahlenkolonnen. Jetzt würde das OKW keine Vermutungen mehr über das militärische Potenzial der Sowjetunion anstellen müssen. Jetzt würde es wissen, wie's damit aussah.
    »Tut mir Leid, Graf von der Schulenburg ist beschäftigt«, sagte die Dicke, die als privater Zerberus des Botschafters fungierte. Werner war immer freundlich zu ihm, wenn auch in leicht gönnerhafter Art, aber manche seiner engsten Mitarbeiter wirkten manchmal fast brüsk, an der Grenze zur Unhöflichkeit, ohne jemals wirklich Anlass für eine Beschwerde zu geben. Man konnte sich

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