Der Tristan-Betrug
Männer vom NKWD. Sie fahnden alle nach dir. Sie bezeichnen dich als Spion.«
»Natürlich«, sagte Metcalfe nervös. »Alle Amerikaner sind Spione.«
»Nein, diesmal ist's anders. Die Leute haben Befehl, dich aufzuspüren - und wenn sie dich finden, sollen sie dich verhaften.«
»Drohungen«, versuchte Metcalfe abwehrend zu sagen. »Alles leere Drohungen.«
»Weshalb fahnden sie nach dir, Stiwa? Wissen sie von diesen ... von all diesen Dingen?« Lanas Handbewegung bezeichnete die Schriftstücke, die sie mitnehmen würde, um sie Rudolf von Schüssler zu übergeben, wenn er sie nach der Abendvorstellung abholte.
»Nein, davon wissen sie nichts.«
»Du würdest mich nicht belügen, Stiwa. Oder etwa doch?«
Metcalfe umarmte sie, weil er nicht weiterlügen konnte. »Ich muss jetzt gehen«, sagte er hastig. »Dein Vater kann jeden Augenblick heimkommen.«
Kapitel Achtundzwanzig
»Ted?«
»Ja?«
»Erkennen Sie meine Stimme?«
Am anderen Ende entstand eine lange Pause. »Ja, ich glaube schon. Verdammt noch mal, was geht hier vor, Mann?« Ted Bishops Stimme klang verändert - gedämpft, nervös. Die Stimme eines verängstigten Mannes. Metcalfe rief aus einer Telefonzelle an, die mehrere Straßen von der Wohnung von Lanas Vater in der Petrowkastraße entfernt war. Weil der englische Journalist vom Hotel Metropol aus arbeitete, war er meistens dort anzutreffen.
»Später«, sagte Metcalfe abrupt. »Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Das kann ich mir denken. Hier wimmelt's von CVJM-Jungs.«
»Ich möchte, dass Sie mir ein paar Klamotten aus meinem Zimmer holen. Sie kommen dort rein, stimmt's? Sie kennen das Hotelpersonal seit Jahren; irgendjemand lässt Sie bestimmt rein.«
»Dass ich die Leute seit Jahren kenne, heißt nicht, dass sie mich mögen. Vertraulichkeit erzeugt Verachtung und so weiter. Aber ich sehe zu, was sich tun lässt.«
»Damit täten Sie mir einen großen Gefallen. Ich rufe Sie in ein paar Stunden noch mal an, um einen Treffpunkt zu vereinbaren.«
»Weil wir gerade beim Telefonieren sind . irgendein Kerl versucht händeringend, Sie zu erreichen. Sogar ich bin im Speisesaal benachrichtigt worden - für den Fall, dass ich Sie sehe. Ein gewisser Mr Jenkins. Der Mann will Sie unbedingt sprechen.« »Mr Jenkins ...« Das war Hilliard. »Verstanden«, antwortete Metcalfe. »Danke.«
»Nichts zu danken. Äh, hören Sie, tun Sie sich einen Gefallen und kommen Sie nicht mehr hierher. Sie verstehen, was ich meine?«
Metcalfe hängte den Hörer ein und rief dann sofort Hilliard in der amerikanischen Botschaft an. Er meldete sich als »Mr Roberts«, aber bevor er behaupten konnte, seinen Pass verloren zu haben, unterbrach der Diplomat ihn.
»Jesus, wo haben Sie gesteckt, verdammt noch mal?«, fragte Hilliard mit leiser, vor Angst und Zorn bebender Stimme. »Was zum Teufel haben Sie angestellt? Sie sind >verbrannt<, wissen Sie das?«
»Ja.«
»Die anderen haben's auf Ihren Skalp abgesehen. Sie müssen schleunigst aus Dodge City verschwinden, kapiert? Sie sitzen auf der Strafbank. Sie sind aus dem Spiel genommen.«
Metcalfe spürte, wie ihm ein kalter Schauder über den Rücken lief. Er musste sofort aus Moskau, aus der Sowjetunion verschwinden. Er war verbrannt; er sollte verhaftet oder auf der Stelle liquidiert werden. Corcoran hatte angeordnet, ihn sofort außer Landes zu bringen.
»Ich brauche Unterstützung.« Damit meinte er falsche Papiere, Visa, Flugtickets. Dinge, die nur Corky ihm besorgen konnte.
»Natürlich. Der liebe Gott hat vorgesorgt, aber er will, dass Sie schleunigst verschwinden. Am liebsten gestern. Kapiert?«
»Verstanden.« Unter anderen Umständen hätte die von Hilliard gewählte Bezeichnung für Corky ihn bestimmt amüsiert. Aber nicht heute.
»Was mich betrifft, stelle ich fest, dass ich Heißhunger auf saziwi habe. In ungefähr einer halben Stunde.«
Hilliard legte auf.
Metcalfe stürzte aus der Telefonzelle.
*
Der Geiger beobachtete, wie der kleine Mann mit Brille und schütterem Haar die amerikanische Botschaft durch den Vorderausgang verließ. Der Mann war, das wusste er, ein kleiner Botschaftsangestellter, ein Dritter Sekretär. Und wie aus den Informationen hervorging, die Kleist erhalten hatte, war er außerdem ein Agent des amerikanischen Geheimdiensts.
Als er dem Amerikaner folgte, drehte der Wind sich, und er roch einen Hauch von Barbasol. Der andere war frisch rasiert und hatte eine amerikanische Rasierseife benützt.
Ja. Dieser Mann würde ihn zur Zielperson
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