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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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zog einen dicken Ordner heraus und sah dann zu Metcalfe hinüber, schwieg aber weiterhin.
    Metcalfe erkannte diese alte Vernehmungstaktik: Schweigen konnte bewirken, dass wenig erfahrene Häftlinge sich unwohl zu fühlen begannen, dass ihre Besorgnis wuchs. Aber Metcalfe war nicht unerfahren. Er war entschlossen, so lange zu schweigen, wie sein Vernehmer sich zu sprechen weigerte.
    Nach gut fünf Minuten lächelte der Bebrillte und sagte in perfektem Englisch mit britischem Akzent: »Möchten Sie lieber Englisch sprechen?« Dann wechselte er ins Russische über. »Oder Russisch? Meines Wissens beherrschen Sie unsere Sprache perfekt.«
    Metcalfe zögerte. Englisch könnte ihm einen gewissen Vorteil verschaffen, dachte er. Möglicherweise beherrschte der NKWD-Mann doch nicht alle Nuancen, alle Feinheiten des Ausdrucks, die jemandem zur Verfügung standen, dessen Muttersprache Englisch war. »Die Sprache ist mir egal«, antwortete er auf Englisch. »Solange wir frei und offen sprechen können. Sind Sie dazu befugt, Genosse . ? Ich habe Ihren Namen leider nicht verstanden.«
    »Weil ich ihn bisher nicht gesagt habe. Sie können mich Rubaschow nennen. Und >Mister<, nicht >Genosse< - wir sind schließlich keine Genossen, Mr Metcalfe. Nehmen Sie bitte Platz.«
    Metcalfe setzte sich auf eines der beiden großen grünen Ledersofas vor Rubaschows Schreibtisch. Rubaschow blieb jedoch stehen. Hinter ihm hingen drei gerahmte Porträts von Lenin, Stalin und dem »Eisernen Felix« Dserschinski, dem berüchtigten Gründer der Tscheka. Die Porträts schienen Rubaschows Kopf zu flankieren, als sei er Bestandteil dieser Galerie.
    »Möchten Sie ein Glas Tee, Mr Metcalfe?«
    Metcalfe schüttelte den Kopf.
    »Der Tee ist wirklich ausgezeichnet. Unser Vorsitzender lässt ihn aus Georgien kommen. Sie sollten ein Glas trinken, Mr Metcalfe. Sie brauchen eine Erfrischung.«
    »Nein, danke.«
    »Wie mir gemeldet wird, haben Sie das Essen, das man Ihnen gebracht hat, verweigert. Es tut mir Leid, das zu hören.«
    »Oh, das sollte Essen sein?« Metcalfe erinnerte sich an den Blechteller mit wässriger Kuttelsuppe, den ein Wärter ihm mit einem harten Kanten Schwarzbrot hingestellt hatte. Wie lange war das schon her? Wie viel Zeit war vergangen, seit er in seine Einzelzelle gesteckt worden war?
    »Na ja, wir sind nicht gerade ein Kurhotel am Schwarzen Meer, obwohl Ihre Aufenthaltsdauer unbegrenzt ist, hmmm?« Rubaschow kam hinter dem Schreibtisch hervor und baute sich mit verschränkten Armen vor Metcalfe auf. Seine schwarzen Reitstiefel waren auf Hochglanz poliert. »Also, Sie sind ein äußerst fähiger Agent. Es gibt nicht viele, die unsere Leute abhängen können, wie Sie's getan haben. Ich bin sehr beeindruckt.«
    Natürlich erwartete der Vernehmer, dass er diesen Vorwurf sofort abstreiten würde. Aber Metcalfe sagte nichts.
    »Ich hoffe, Sie verstehen die Lage, in der Sie sich befinden.«
    »Durchaus.«
    »Das höre ich gern.«
    »Ich weiß, dass ich von Agenten der sowjetischen Geheimpolizei illegal entführt und inhaftiert worden bin. Ich weiß, dass der NKWD einen schweren Fehler gemacht hat, dessen Konsequenzen Sie sich noch gar nicht vorstellen können.«
    Rubaschow schüttelte langsam, traurig den Kopf. »Nein, Mr Metcalfe. Hier liegt kein Fehler vor. Alle >Konsequenzen<, wie Sie's ausdrücken, sind sorgfältig bedacht worden. Wir sind ein tolerantes Land, aber wir tolerieren keine gegen uns gerichtete Spionage.«
    »Ja«, sagte Metcalfe ruhig. »>Spionage< scheint der Vorwurf zu sein, den Sie immer dann erheben, wenn jemand zu dem Schluss gelangt, ein Besucher sei lästig, habe ich Recht? Nehmen wir mal an, jemandem im Volkskommissariat für Außenhandel gefielen die Bedingungen eines mit der Firma Metcalfe Industries abgeschlossenen Vertrags nicht ...«
    »Nein, Sir. Bitte vergeuden Sie meine Zeit nicht mit solchen Hirngespinsten.« Er zeigte mit einem Spinnenfinger auf die Aktenstapel auf seinem Schreibtisch. »Das alles sind Fälle, in denen ich die Ermittlungen führe. Wie Sie sehen, habe ich mehr Arbeit, als sich während normaler Bürostunden bewältigen lässt. Lassen Sie uns also gleich zur Sache kommen, Mr Metcalfe.« Er trat an den Schreibtisch, griff nach einem Blatt Papier und hielt es Metcalfe hin. Der Ermittler roch nach Pfeifentabak und saurem Schweiß. »Ihr Geständnis, Mr Metcalfe. Unterschreiben Sie's, dann sind wir ein großes Stück weiter.«
    Metcalfe betrachtete das Blatt und sah, dass es leer war. Er sah

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