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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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dem Leningrader Bahnhof von einem ältlichen Paar abgeholt worden, das ihn auf einem Waldparkplatz außerhalb der Stadt abgesetzt hatte. Dort hatte zwanzig Minuten später ein Lastwagen gehalten, dessen Fahrer einen stolzen Betrag forderte, bevor er auch nur den Motor abstellte. Der Lastwagen hatte für Helsinki bestimmte Heißwasserboiler geladen, denn der Handel ging trotz des Krieges weiter. Einer dieser Boiler war geschickt modifiziert worden: Er hatte oben und unten Luftlöcher und eine Schiebeklappe, durch die ebenfalls Luft hereinkam; sein Oberteil war mit einer Metallsäge abgetrennt worden. Das Ganze hatte Metcalfe viel zu sehr an einen Sarg erinnert. Trotzdem hatte er sein Schicksal diesem Unbekannten anvertraut, den er nie wieder sehen würde, und war in den Wasserbehälter gekrochen, der dann zugeschweißt wurde.
    Die Zollkontrolle an der sowjetisch-finnischen Grenze war nur flüchtig. Kurze Zeit später hielt der Lastwagen wieder, und der Fahrer verlangte weitere hundert Rubel dafür, dass er Metcalfe aus seinem engen Gefängnis befreite - »für meine Mühe«, wie er erklärend hinzufügte.
    Metcalfe zahlte.
    Vom Flughafen Malmi in Helsinki gab es keine Direktflüge nach Bern, aber ein reicher Geschäftsmann mit guten Verbindungen, für den Geld keine Rolle spielte, konnte ein Flugzeug chartern, das ihn in die Schweiz brachte.
    Corkys Anweisungen folgend, näherte er sich jetzt dem von Weinreben umrankten Hintereingang des alten Hauses in der Berner Altstadt. Auf diesem Weg, das sah er, konnten Besucher das Haus ungesehen betreten und verlassen.
    Er klingelte, danach wartete er unruhig besorgt. Seit er Corky zuletzt in Paris gesehen hatte, waren nur wenige Wochen vergangen, die ihm jedoch wie Jahre vorkamen. Nach Moskau war er im Grunde genommen als Daniel Eigen gereist - in der Rolle, die seine wirkliche Identität geworden war: als leichtsinniger Playboy, in persönlichen Dingen rücksichtslos, inmitten aller Kriegsnot unbekümmert. Aber Daniel Eigen existierte nicht mehr. Und nicht nur, weil er enttarnt worden war. Die Ermordung eines guten Freundes, der Verrat an seiner Geliebten ... Solche Dinge mussten einen Mann verändern.
    Auch Metcalfes Einstellung gegenüber seinem alten Mentor hatte sich verändert. Er hatte seinen Auftrag ausgeführt, Lana für Corkys Zwecke eingespannt und sie bewusst irregeführt. Er hatte getan, was ihm befohlen worden war. Aber in Zukunft würde er Corcorans Befehle nicht mehr blindlings und ohne nachzudenken befolgen können.
    Die Tür öffnete sich; eine Haushälterin ließ ihn ein. Sie war eine matronenhafte Frau, die ihr Haar zu einem straffen Nackenknoten zusammengefasst trug. Ihrem Aussehen nach eine Schweizerin. Sie fragte nach seinem Namen, nickte, als Metcalfe ihn nannte, und führte ihn dann in ein helles, geräumiges Wohnzimmer mit zwei großen offenen Kaminen. In einem brannte ein Feuer, an dem Corky in einem Ohrensessel saß. Er drehte sich um, als Metcalfe hereinkam.
    Corcoran sah noch blasser, noch runzliger aus als vor wenigen Wochen. Hatten der Stress des Krieges, des Unternehmens WOLFSFALLE ihn so altern lassen? Die Belastungen durch den Verlust seiner Geheimagenten, seiner Kronjuwelen, wie er sie nannte? Die über seinen Gesundheitszustand kursierenden Gerüchte hatten vermutlich eine reale Grundlage: Corky sah krank aus; sein Aussehen hatte sich binnen weniger Wochen merklich verschlechtert.
    »Stephen Abernathy Metcalfe«, verkündete Corky mit hoher, leicht zittriger, aber trotzdem fester Stimme. »Sie verblüffen mich immer wieder.« Über das Gesicht des Alten huschte ein schwaches Lächeln, als er jetzt aufstand. In dem Aschenbecher neben ihm brannte eine Zigarette, deren Rauch leicht gekräuselt senkrecht aufstieg.
    »Soll ich das als Lob auffassen?«, fragte Metcalfe, indem er näher trat und ihm die Hand schüttelte. »Oder war das ein Tadel?« Der aus Corkys Tweedsakko aufsteigende Geruch nach Pep-O-Mint Life Savers war ebenso stark wie der Geruch von kaltem Zigarettenrauch.
    Corky machte eine nachdenkliche Pause. »Beides, glaube ich. Ich war mir nicht sicher, ob Sie's schaffen würden, nach Bern zu kommen.«
    »Es war nicht leicht, in Helsinki ein Flugzeug zu chartern, das muss ich zugeben.« Metcalfe ließ sich in den zweiten Ohrensessel am Kamin fallen.
    »Oh, das war meine geringste Sorge. Ich rede von Moskau. Dort ist zu viel schief gegangen.« Corky hatte sich dem Kaminfeuer zugewandt und stocherte mit einem Schürhaken darin herum.

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