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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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seinen Händen hielt und von dessen Existenz die meisten Leute nichts ahnten. Er hielt diese Hebel jedoch nicht nur in den Händen; angeblich spielte er auf ihnen wie auf einer großen Kirchenorgel. Innerhalb seines Schattenreichs schwang er einen aus Einfluss bestehenden Stab und leitete das komplexe Zusammenspiel aller Instrumente des Orchesters mit der Gewandtheit eines Virtuosen. Er war der Dirigent. Der dirischor.
    Menilow war Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU und Stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsrats - eines Gremiums, dem KGB, Außenministerium, Verteidigungsministerium und Innenministerium unterstanden. Generalsekretär und Vorsitzender war Gorbatschow - aber er war gegenwärtig entmachtet und wurde in seiner Luxusvilla auf der Krim festgehalten.
    Die Macht hielt jetzt Stepan Menilow in den Händen.
    Metcalfes alter Freund hatte ihn über Stepan Menilow informiert. Er war 57 Jahre alt, ein Hardliner und Waffenexperte aus einem kleinen Dorf im Kusnezer Becken, in dem er erst bei seiner Großmutter, dann bei einem Onkel aufgewachsen war. Nach steiler Karriere in der sowjetischen Staatsindustrie war er im Zentralkomitee Sekretär für den militärisch-industriellen Komplex geworden und wegen seiner Verdienste für den Ausbau dieses Sektors zweimal mit dem Leninpreis ausgezeichnet worden.
    Aber worauf Metcalfe nicht vorbereitet war, als die Tür von Menilows Arbeitszimmer sich öffnete und den Blick auf den Sekretär preisgab, war die Erscheinung dieses Mannes. Er war groß und sportlich schlank und sah sehr gut aus - ganz und gar nicht, wie man sich einen hinter den Kulissen agierenden Mann vorstellte. Er bewegte sich mit ungewöhnlicher Eleganz und Haltung, schüttelte Metcalfe kräftig die Hand und wies den General an, im Vorzimmer zu warten, weil er mit dem Amerikaner allein sprechen wolle.
    Als Metcalfe vor dem riesigen, reich geschnitzten Mahagonischreibtisch des dirischors Platz nahm, war er ausnahmsweise um Worte verlegen. Vor ihm auf dem Schreibtisch lag unübersehbar der schwarze Aktenkoffer, der die Startcodes für die sowjetischen Atomwaffen enthielt.
    »Sieh mal einer an«, sagte Stepan Menilow. »Der legendäre Stephen Metcalfe. Ein Abgesandter aus dem Weißen Haus, über jeden Zweifel erhaben, über dem Parteiengezänk stehend. Zweifellos der Überbringer einer Botschaft aus dem Oval Office. Einer Botschaft, die später notfalls geleugnet werden kann. Wirklich clever - und ein Beweis für eine Subtilität, die ich euch Amerikanern nicht zugetraut hätte.« Er breitete die Hände aus, während er sich in seinen hochlehnigen Bürosessel zurücklehnte. »Trotzdem werde ich mir anhören, was Sie zu sagen haben. Aber ich warne Sie schon jetzt: Mehr als zuhören werde ich nicht.«
    »Mehr verlange ich auch nicht. Aber ich bin nicht im Auftrag des Weißen Hauses hier. Ich habe keinerlei offiziellen Auftrag. Ich will nur direkt - und streng vertraulich - mit dem Mann sprechen, der als Einziger die Macht besitzt, dem gegenwärtigen Wahnsinn ein Ende zu bereiten.«
    »Wahnsinn?«, fragte Menilow knapp. »Was Sie heute in Moskau sehen, ist das Ende des bisherigen Wahnsinns. Eine Rückkehr zur Stabilität.«
    »Ein Ende der Reformen, meinen Sie. Ein Ende der bemerkenswerten Reformen, die Gorbatschow eingeleitet hat.«
    »Allzu viele Veränderungen sind gefährlich. Sie lösen nur Chaos aus.«
    »Veränderungen können in der Tat gefährlich sein«, sagte Metcalfe. »Aber für Ihre große Nation wäre es noch weit gefährlicher, sich nicht zu verändern. Sie wollen niemals zur schlimmen alten Zeit der Diktatur zurückkehren. Ich habe die Stalinzeit miterlebt; ich habe den Terror miterlebt. Beides darf sich niemals wiederholen.«
    »Botschafter Metcalfe, Sie sind in Ihrem Land ein großer Mann. Sie sind ein Löwe des amerikanischen Establishments -nur aus diesem Grund habe ich mich bereit erklärt, Sie zu einem Gespräch zu empfangen. Aber Sie dürfen sich nicht anmaßen, uns darüber zu belehren, wie wir unsere eigenen Angelegenheiten regeln sollen.«
    »Das stimmt natürlich. Aber ich kann Ihnen sagen, welche Folgen dieser Staatsstreich, den Sie und andere durchführen, haben wird.«
    Stepan Menilow zog die Augenbrauen mit der Metcalfe so vertrauten eigenartigen Mischung aus Trotz und Skepsis hoch. »Soll das eine Drohung sein, Mr Ambassador?«
    »Durchaus nicht. Das ist eine Voraussage, eine Warnung. Wir sprechen von der Wiederaufnahme des Rüstungswettlaufs, der Ihr Land bereits ruiniert

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