Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
flüchtige Affäre gehabt; er hätte niemals in Moskau bleiben können, sie hätte es niemals verlassen wollen.
    Und wie war es ihr wohl ergangen, fragte er sich jetzt sorgenvoll. Welche Veränderungen waren in den letzten sechs Jahren in ihr vorgegangen? Was war sie geworden? War sie noch immer dieselbe zerbrechliche, impulsive Künstlerin?
    Das Publikum begann plötzlich laut zu klatschen, der Vorhang fiel, und der Applaus riss Metcalfe aus seiner Träumerei. Die Pause hatte begonnen. Er war die ganze Zeit wie betäubt gewesen, in Gedanken, in Erinnerungen an Lana verloren. Jetzt merkte er, dass seine Augen tränennass waren.
    Dann hörte er dicht hinter sich eine Stimme, die ihm fast ins Ohr sprach. »Es fällt schwer, den Blick von ihr zu wenden, stimmt's? Ich bin völlig gebannt von ihr.«
    Metcalfe drehte sich langsam um und sah, wie der GRU-Offizier sich nachdrücklich applaudierend zurücklehnte. Durch die Bewegung seiner Hände und Arme verschob die Uniformjacke sich gerade so weit, dass Metall in der Pistolentasche aufblitzte.
    Eine glänzend vernickelte 7,62-mm-Tokarev.
    Ich bin völlig gebannt von ihr.
    Was wollte er damit andeuten?
    »Sie ist wirklich sehenswert«, bestätigte Metcalfe.
    »Ich versäume wie gesagt keine ihrer Vorstellungen«, fuhr der GRU-Offizier fort. »Schon seit Jahren nicht mehr.« Sein Tonfall war vertraulich, einschmeichelnd, drohend: die Stimme abgründiger Bosheit.
    Das Licht ging an, und die Zuschauer erhoben sich von ihren Plätzen. Wie in den meisten russischen Theatern stand im Bolschoitheater in der Pause ein reichhaltiges kaltes Büfett bereit. Dort würde es Wodka, Champagner, Rot- und Weißwein geben; dazu Räucherlachs und Stör, Schinken, Salami und kaltes Huhn. Da die meisten Moskauer heutzutage mehr schlecht als recht von rationierten Lebensmitteln lebten, war es kein Wunder, dass das Publikum aus dem Saal drängte, um ans Büfett zu kommen.
    Der GRU-Offizier stand ebenfalls auf, als Metcalfe sich erhob, und schien ihm auf den Fersen bleiben zu wollen. Aber das Publikum drängelte ungestüm, und während es sich in Wellen zum Ausgang schob, gelang es Metcalfe, ihn ein ziemliches Stück abzuhängen. Was hat der Russe vor, fragte Metcalfe sich. Seine Botschaft, dass Metcalfe scharf beobachtet wurde, hatte er bereits zur Genüge übermittelt. Und er legte offenbar keinen Wert darauf, subtil vorzugehen. Er versuchte nicht, mit dem Hintergrund zu verschmelzen.
    Der GRU-Agent konnte beobachten, wie Metcalfe sich durch die Menge drängte, ohne auf die Proteste der Angerempelten zu achten. » Maladoj tschelowjek! Nje nado ljest bes otscheredi!«, fauchte ihn eine steif gekleidete ältere Dame an. »Junger Mann! Man darf sich nicht vordrängeln!« Eine klassische Reaktion: Russen, vor allem ältere Frauen, wiesen Ausländer ständig zurecht, erteilten ihnen Benimm-Lektionen. Beispielsweise schimpften sie einen aus, wenn man bei kaltem Wetter keine Kopfbedeckung trug. Sie fühlten sich befugt, einem jederzeit und überall dreinzureden.
    » Prastitje «, murmelte Metcalfe höflich. »Verzeihen Sie.«
    Im Foyer schlängelte er sich durch noch dichteres Gedränge und hatte nun einen so großen Vorsprung vor dem GRU-Offizier, dass er seinen Beschatter anscheinend vorläufig abgehängt hatte.
    Metcalfe wusste, wohin er wollte. Er war schon unzählige Male im Bolschoitheater gewesen, hatte Lana in ihrer Garderobe besucht. Er kannte sich in diesem Haus besser aus als die meisten regelmäßigen Besucher.
    Da er einen Smoking trug und zielstrebig wirkte, gelangte er ungehindert zu der beige gestrichenen Tür, an der in kyrillischer Schrift KEIN ZUTRITT FÜR UNBEFUGTE stand. Genau wie früher war sie nicht abgesperrt.
    Unmittelbar dahinter saß jedoch der deschurny, der Wachhabende an einem Tisch - ein schwarzhaariger, pockennarbiger Mann in blauer Uniform. Ein typischer kleiner sowjetischer Funktionär, der sich durch nichts von einem kleinen zaristischen Funktionär unterschied: ohne Interesse an seinem Dienst, aber zugleich grimmig feindselig gegenüber jedem, der seine Autorität anzuzweifeln wagte.
    »Ein Geschenk für die Primaballerina Miss Baranowa«, sagte Metcalfe auf Russisch mit englischem Akzent. »Ich habe den Auftrag, es ihr vom britischen Botschafter zu überbringen, guter Mann.«
    Der Mann sah misstrauisch auf, dann streckte er eine Hand aus. »Sie dürfen dort nicht rein. Geben Sie's mir; ich sorge dafür, dass sie's bekommt.«
    Metcalfe lachte. »Oh, ich fürchte, das

Weitere Kostenlose Bücher