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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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konnte sie gar nicht vergessen. Hier in Moskau war er überall von ihr umgeben, er kehrte zu ihr zurück, und die Vergangenheit, zu der er zurückkehrte, war eine Tänzerin namens Swetlana.
    Vor dem Theater war eine Menschenmenge versammelt, die darauf wartete, dass die Eingangstüren geöffnet wurden. Metcalfe hatte keine Karte für die ausverkaufte Abendvorstellung von Roter Mohn, aber er würde bestimmt eine bekommen. Mit harter Währung - amerikanische Dollar, britische Pfund, französische Franc - konnte man in Moskau praktisch alles kaufen. Es gab immer Moskauer, die verzweifelt auf der Suche nach valuta waren, wie sie Hartwährungen nannten, um damit in speziellen Läden, die eigentlich für Ausländer reserviert waren, Lebensmittel kaufen zu können. Waren sie verzweifelt genug, verhökerten sie sogar ihre begehrten Eintrittskarten fürs Bolschoitheater. Auf Verzweiflung konnte man hier in Moskau immer zählen.
    Das Publikum war im Allgemeinen besser gekleidet als die Menschen, denen er auf der Straße begegnet war, und das war keine Überraschung. Karten fürs Bolschoitheater bekam man nur durch blat, das neurussische Wort für Einfluss und Beziehungen. Man musste jemanden kennen, selbst wichtig sein, ein Parteiamt bekleiden ... oder Ausländer sein. In der Menge waren ziemlich viele Uniformen zu sehen - überall leuchteten die roten Epauletten auf den Schultern der Offiziere. Diese Schulterstücke waren neu, das wusste Metcalfe. Stalin hatte sie erst vor kurzem eingeführt, um die Moral der Roten Armee wieder zu heben. Sie hatte schwer unter dem Trauma der Säuberungen des Jahres 1938 gelitten, bei denen so viele hohe Offiziere wegen angeblicher Zusammenarbeit mit HitlerDeutschland angeklagt und erschossen worden waren.
    Aber was Metcalfe an den Offizieren der Roten Armee auffiel, waren nicht nur ihre Ausgehuniformen, die gestickten Sterne auf den roten Schulterstücken, sondern dass sie ihr Haar jetzt nach preußischer Art kurz trugen. Sie sahen ihren Nazi-Pendants jetzt sogar ähnlich. An ihrer Brust klimperten bronzene und goldene Orden; sie trugen Pistolen in auf Hochglanz polierten Ledertaschen an Koppeln mit Schulterriemen.
    Eigenartig, überlegte er sich: Moskau war jetzt mit den Nazis verbündet. Russland hatte einen Nichtangriffspakt mit seinem Erzfeind Deutschland unterzeichnet. Die beiden großen Militärmächte Europas waren jetzt Partner. Der faschistische Staat hatte sich mit dem kommunistischen Staat zusammengetan. Die Russen lieferten den Deutschen sogar kriegswichtige Rohstoffe. Gab es für die Verteidiger der Freiheit überhaupt eine Hoffnung, es mit Hitler-Deutschland und der Sowjetunion aufnehmen zu können? Eine verrückte Idee!
    *
    Metcalfe fiel ein vertrauter Duft auf, der in der Abendluft hing. Er wehte von einigen russischen Damen herüber, die unter ihren Mänteln tief dekolletierte Abendkleider trugen: das scheußliche sowjetische Parfüm Roter Mohn - wie passend zur heutigen Vorstellung! -, das so gräulich war, dass Ausländer es »Stalins Mundgeruch« nannten.
    Ein alter Mann lenkte seinen Blick auf sich, trat näher und flüsterte: » Biljeti? Wy chotitje biljeti?« Wünschen Sie Eintrittskarten?
    Die Kleidung des Alten war abgetragen, aber sie war einmal sehr elegant gewesen. An seinen Handschuhen fehlten mehrere Fingerspitzen, die mit dünnem Bindfaden geflickt waren. Dies war ein ehemals wohlhabender Mann, der aber jetzt zur Unterwürfigkeit verdammt war. Auch seine Aussprache verriet einen kultivierten Menschen. Herzzerreißend!
    Metcalfe nickte. »Bitte nur eine«, sagte er.
    »Ich habe zwei«, sagte der Alte. »Für Sie und Ihre Frau, gospodin?«
    Metcalfe schüttelte den Kopf. »Nur eine. Aber ich bezahle für zwei.« Er zog einen kleinen Packen Dollarscheine heraus, weit mehr als den Preis für zwei Karten, und der Alte machte große Augen, während er ihm die Eintrittskarte gab.
    » Danke, gospodin! Vielen Dank!«
    Als der alte Russe lächelte, konnte Metcalfe flüchtig die vielen Goldkronen in seinem Mund sehen. Dies war ein Mann, der sich früher einmal einen solchen Luxus hatte leisten können.
    So vieles war in Russland heutzutage Mangelware, überlegte Metcalfe sich. Lebensmittel, Heizmaterial, Kleidung ... aber der größte Mangel herrschte an Würde.
    Er gab seinen Mantel an der garderob ab, wie es alle Zuschauer tun mussten. Die weißhaarige, runzlige Alte, die ihm den Mantel abnahm, fuhr bewundernd mit der Hand über den Stoff, bevor sie ihn zwischen

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