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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Untergrund operierenden Widerstandsbewegung gegen die Nazis. Aber Rudolf von Schüssler? Eher nicht. Er weiß, wo sein Vorteil liegt. Ich glaube nicht, dass der Mann eine Ideologie besitzt. Er tut, was von oben angeordnet wird. Meines Wissens - und ich bin ihm schon oft begegnet; in dieser Beziehung ist Moskau eine Kleinstadt - sieht er sich in einer traurigen, von Selbsttäuschung geprägten Illusion als Erbe des großen preußischen Adels. Er sehnt sich nach Ruhm, ganz ohne Zweifel. Aber er ist nicht tapfer. Er ist ein schwacher, eitler Mann. Von Schüssler tut, was ihm befohlen wird. Er will sich nur mit seinen Orden auf seinen Landsitz zurückziehen. Und seine Memoiren schreiben, wie ich höre. Jesus!«
    »Ja, ich verstehe«, sagte Metcalfe. Er vertraute auf Milliards Urteil. Ein schwacher, eitler Mann. Kein Held, nicht jemand, der etwas Tapferes tun oder im Untergrund den Widerstand gegen die Nazis unterstützen würde. Anscheinend nicht jemand, den man umdrehen konnte. Natürlich war dies nur die Einschätzung eines einzigen Mannes, aber wenn Milliard Recht hatte, war Rudolf von Schüssler kein aussichtsreicher Kandidat für das, was Corky wollte. Er ist nicht tapfer. Das war kein Porträt eines möglichen Doppelagenten. Trotzdem hatte Corcoran ihn hergeschickt, damit er den Deutschen als potenziellen Agenten unter die Lupe nahm. Wie hatte Corky sich so irren können? Er hatte in Moskau einen erstklassigen Informanten - Amos Milliard -, der ihm hätte sagen können, diese Mühe könne er sich sparen. Das verstand Metcalfe nicht.
    »Hören Sie, ich weiß nicht, was Sie vorhaben, aber falls Sie den Mann persönlich kennen lernen wollen . Wie ich höre, werden er und seine russische Ballerina-Freundin heute Abend draußen in der Datscha sein.«
    Seine russische Ballerina-Freundin, dachte Metcalfe. Lana!
    »Die Datscha ist das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in der diplomatischen Enklave. Ja, hier im Tal der Seligen besteht unser Leben aus einer einzigen gottverdammten Abfolge von Vergnügungen.«
    »Also gut, ich komme«, sagte Metcalfe und stand ebenfalls auf, als Milliard sich erhob. Der Diplomat kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Metcalfe streckte ihm die Hand hin und war überrascht, als der kleine Mann ihn stattdessen umarmte. Den Grund dafür verstand er jedoch sofort, als Amos Milliard ihm ins Ohr flüsterte:
    »Nehmen Sie sich in Acht, verstanden? Tun Sie sich - und mir - einen Gefallen, Metcalfe. Kommen Sie nie wieder hierher.«

Kapitel Fünfzehn
    Den Schlüssel zu seinem Hotelzimmer holte Metcalfe sich bei der deschurnaja, der älteren Frau, die auf seiner Etage an einem Schreibtisch saß und alles Kommen und Gehen überwachte. Wie in jedem sowjetischen Hotel bekam man im Metropol seinen Schlüssel bei der Deschurnaja - meist eine alte Frau wie diese, die den ganzen Tag an ihrem Platz saß - und gab ihn dort auch wieder ab. Nachts döste sie nur, wobei ihr Kopf auf einem Kissen auf dem Schreibtisch ruhte. Dieses archaische System bezweckte angeblich, dass die Hotelgäste sich sicher fühlen sollten, weil Zimmerschlüssel nur an befugte Personen ausgegeben wurden, aber in Wirklichkeit sollten die Gäste natürlich aus Sicherheitsgründen scharf überwacht werden. In Moskau drehte sich alles um Sicherheit - um die Sicherheit des Sowjetstaats.
    Als er die Tür aufschloss, war sein erster Gedanke, das Zimmermädchen sei noch nicht da gewesen, um sein Zimmer zu putzen und aufzuräumen. Was am späten Nachmittag merkwürdig war.
    Sobald seine Augen sich ans Halbdunkel gewöhnt hatten, war sein zweiter Gedanke - und das war eine Erkenntnis, die ihn wie ein Schlag in den Magen traf-, dass sein Zimmer durchsucht worden war. Theoretisch hätte das keine Überraschung sein sollen; schließlich wusste er, dass die Russen die Zimmer ausländischer Gäste gewohnheitsmäßig durchsuchten. Aber es war offensichtlich demonstrativ durchwühlt worden. Die Spuren der Durchsuchung sollten deutlich zu sehen sein.
    Das Zimmer war völlig auf den Kopf gestellt worden. Sein Koffer, den er morgens beim Weggehen abgesperrt hatte, stand offen, die Schlösser waren aufgebrochen, der in Paris hastig gepackte Inhalt war über Bett und Fußboden verstreut. Völliges Chaos, Wahnsinn!
    Seine Anzüge, die er sorgfältig in den Kleiderschrank gehängt hatte, waren nicht nur auf den Fußboden geworfen worden; sie waren auch aufgeschlitzt, als habe jemand nach Geheimtaschen gesucht. Alle Ledergürtel waren ebenso aufgetrennt wie

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