Der Triumph der Heilerin.indd
würdet. So wie es früher alle hier im Haus getan haben.«
Mathew ergriff Annes Hand und küsste sie galant nach französischer Sitte. »Jeder Eurer Wünsche ist mir ein Vergnügen und ein Befehl.«
»Schön gesprochen, mein Herr, schön gesprochen.«
Mathew lächelte Anne mit leiser Wehmut an. »Weißt du, Kind, ich halte es für höchst unwahrscheinlich, dass ein Mann jemals wieder dein Herr sein wird. Auch der König nicht.«
Anne schwieg einen Augenblick und sah ihren guten und gütigen Freund an. Dann küsste sie ihn sanft auf die Wange. Ihr Atem war süß. Mathew widerstand dem Drang, die Stelle zu berühren, wo ihre Lippen ihn berührt hatten.
»Ich bin Euch so unendlich dankbar, Euch und Lady Margaret, Master Mathew. Ihr seid meine eigentliche Familie, Ihr und Deborah und der kleine Edward. Ich habe Euch so viel zu verdanken. So viel, dass ich wohl kaum einen Bruchteil davon vergelten kann. Und nun auch noch Asyl.«
Der alte Mann spürte Tränen in seinen Augen aufsteigen und wunderte sich über seinen plötzlichen Gefühlsausbruch. Er räusperte sich laut. »Ihr müsst nichts vergelten. Und selbstverständlich könnt Ihr so lange hierbleiben, wie Ihr möchtet. Es war der Wille des Herrn, mir Euer Wohlergehen teilweise zu überantworten, und ich fühle mich geehrt von diesem Vertrauen. Ihr seid wichtig für unseren König. Für mich und die meinen werdet Ihr immer wichtig sein.«
»Das gebe Gott, Gemahl. Und nun ist es Zeit, zu ruhen. Komm, Anne, Euer Bett ist aufgewärmt.« Bei Mathews letzten Worten war Lady Margaret ins Zimmer zurückgekommen und streckte Anne ihre Hand hin wie eine Mutter, die glücklich ist, dass es ihr Kind warm hat.
Nun war es Anne, die die Tränen zurückdrängen musste, als Mathew und Margaret sie anlächelten.
»Gute Nacht, Kind. Morgen werden wir über die Zukunft sprechen. Erst einmal aber bist du hier bei uns in Sicherheit. Wir wünschen dir einen traumlosen Schlaf.«
Als Anne in ihrem warmen, nach Lavendel duftenden Bett lag und dem Wind lauschte, der um die Pfeiler und Zinnen des alten Gemäuers strich, sprach sie, bevor sie vom Schlaf eingehüllt wurde, noch ein Gebet. Mach, dass auch er in Sicherheit ist, Mutter. Auch er ...
Aber in ihren Träumen in dieser Nacht sah sie zwei Männer.
Edward.
Und Leif.
»Und wo ist er jetzt?«
Elizabeth Wydeville ging im Jerusalemzimmer aufgeregt auf und ab. Es war die kälteste Stunde der Nacht, der Regen schlug hart gegen die dunklen Fenster, und sie konnte nicht schlafen. Manchmal meinte sie, nie mehr schlafen zu können.
»Beruhige dich, Tochter. Das ist nicht gut für den Milchfluss und auch nicht für das Kind, wenn du es stillst.«
Die Königin drehte sich zu ihrer Mutter um. »Beruhigen? Wie kann ich mich beruhigen? Mein Sohn braucht keine ruhige
Mutter, er braucht eine Mutter, die Königin von England ist, damit er als das anerkannt wird, was er ist, nämlich der rechtmäßige Prinz von Wales, und nicht dieser Bastard von Anjou. Seit Tagen haben wir nichts gehört, Mutter. Ich muss wissen, wo der König ist!«
Jacquetta zuckte zusammen und staunte wieder einmal darüber, dass eine so schlanke Frau ein solches Stimmvolumen haben konnte. Ein Seufzen unterdrückend, sah sie von ihrem Stickrahmen auf und massierte sich die Schläfen. Sie musste sich zwingen, ruhig zu sprechen. Wenigstens eine von ihnen musste die Ruhe bewahren. »Also gut, gehen wir noch einmal durch, was wir wissen.«
Elizabeth gab einen Ton von sich, der sich halb wie ein Bellen und halb wie ein Schluchzen anhörte, und ließ sich mit einer heftigen Bewegung auf einem der beiden Stühle nieder, die in dem riesigen Zimmer standen. Der Stuhl war eines jener altmodischen, unbarmherzigen Eichenmöbel mit sehr steiler Rückenlehne. Sie rutschte hin und her, um bequemer zu sitzen, und hob die Hand. War diese Geste eine Art Zustimmung?
Ihr Mutter streckte einen Finger in die Höhe. »Erstens: Wir wissen, dass Karl dem König Geld gegeben hat.«
»Ja, aber wie viel - und was ist mit den Schiffen und ...«
»Unterbrich mich nicht! Ich wiederhole. Erstens: Edward hat Geld, eine bedeutende Summe, genug, um Männer und Waffen anzuschaffen. Zweitens: Karl lässt in Veere Schiffe für ihn aufrüsten. Drittens: Die englischen Kaufleute in Brügge unterstützen ihn. Das ist sicher - dein Bruder Rivers hat es uns selbst erzählt. Viertens: Nun scheint es klar, dass sich der Wind dreht und die Fürsten hier im Land ihre Meinung ändern. Und Clarence
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