Der Triumph der Heilerin.indd
brauchte. Wir sind überstürzt aufgebrochen, müsst Ihr wissen und .« Die junge Frau versuchte vergeblich, ein Gähnen zu unterdrücken.
Lady Margaret stand entschlossen auf. »Mathew, wir können dieses Gespräch morgen fortsetzen. Anne ist erschöpft. Sie ist seit Tagen auf diesem Boot gewesen, noch dazu bei Gegenwind.«
»Schiff, meine Liebe. Dein Schiff.« Mathew war immer sehr genau.
Margaret warf ihm einen kurzen Blick zu. »Anne braucht jetzt eher Schlaf als ein korrektes Wort, Mathew. Wir können morgen weitersprechen. Wenigstens ist sie in Sicherheit und der kleine Edward auch. Alles andere ist von nachrangiger Bedeutung.«
»Und Leif.« Anne stand schwerfällig auf. Sie sehnte sich danach, ihre Glieder zu strecken, glaubte aber, diesem Bedürfnis nicht nachgeben zu dürfen. Seltsam, der Respekt, den sie für ihre einstigen Herrschaften empfand, ließ sie in ihre alte Rolle als Dienstmädchen zurückfallen, als sie in just jenem Zimmer noch Kammerzofe gewesen war. Wie müde musste sie sein, um auf solche Gedanken zu verfallen.
»Leif?« Mathew sah sie verwirrt an.
»Leif ist auch in Sicherheit. Und ebenfalls die Lady Margaret. Gott sei Dank!«
Margaret legte ihren Arm um Anne. »Leif hat Euch gute Dienste erwiesen, meine Liebe. Und er hat auch dem Haus Cut-tifer treu gedient.«
»Es wird langsam Zeit, dass er wieder richtig arbeitet!«, murmelte Mathew. Doch dann fing er den Blick seiner Frau auf und klappte seinen Mund mit einem hörbaren Schnappen zu. Er beurteilte Leifs Dienste für Anne etwas anders als seine Frau.
»Seid nicht böse mit Leif, Sir Mathew. Er war hin- und hergerissen zwischen seinem Pflichtgefühl gegenüber Euch und seinem Bemühen, den kleinen Edward, Deborah und mich sicher nach London zu bringen.« Es hätte noch viel mehr darüber zu sagen gegeben, aber Anne zog es vor zu schweigen.
»Und wir sind sehr froh, dass er das getan hat, aber jetzt ist es Zeit zum Schlafen. Ich werde Jassy suchen - sie hat Euch das neueste Zimmer hergerichtet. Es wird Euch gefallen. Es ist geräumig und hat sogar einen Kamin. Keine qualmenden Kohlepfannen mehr! Deborah und das Kind sind, glaube ich, schon dort. Wartet hier, Anne, ich bin gleich wieder zurück.«
Lady Margaret eilte aus dem Sonnenzimmer, zuvor aber warf sie ihrem Gemahl noch einen warnenden Blick zu. Sei nett, sagte dieser Blick. Sei freundlich.
Mathew räusperte sich. »Leif hat es letztlich doch sehr gut gemacht. Und ich bin froh, dass er wieder hier ist. Hier wartet Arbeit auf ihn, und wir haben nicht viel Zeit. Ich möchte alle meine Schiffe nach Bristol bringen lassen. Sollten die Aufständischen bis London kommen - ob auf dem Land- oder auf dem Seeweg -, werden sie alles plündern und niederbrennen.«
Anne schwieg. Leif hatte sich am frühen Abend eilig von ihr verabschiedet, um Sir Mathews Befehlen nachzukommen. Er hatte mit Anne nur einen kurzen Blick tauschen können, bevor er ging, und sie hatte, betroffen von der Intensität seines Blicks, ihre Augen niedergeschlagen. Und nun war er fort, und sie fühlte sich leer.
Mathew unterbrach ihre Gedanken. »Seid Ihr denn gar nicht hungrig, Lady Anne? Ihr müsst etwas essen.« Auf einer Truhe waren Speisen aufgetischt, aber Anne hatte den ganzen Abend fast nichts angerührt. »Es ist nicht gut, mit leerem Magen ins Bett zu gehen. Darf ich Euch wenigstens etwas von der Eierspeise auftun? Ihr werdet danach gut schlafen.«
Er war fürsorglich wie ein alte Glucke. Das war jedes Mal so, wenn Anne da war. Er erinnerte sich noch gut daran, wie sie vor vielen Jahren als Dienstmädchen in sein Haus gekommen war, ein ganz normales Mädchen, aber mit einem außergewöhnlichen Lächeln und diesem etwas anderen Auftreten. Anders, ja, aber wer hätte jemals daran gedacht, dass sie eine Prinzessin unter ihrem Dach beherbergten, zwar keine eheliche, aber trotzdem die leibliche Tochter eines Königs. Und sie war einmal ihre Dienerin gewesen!
»Lady Anne?«
Sie starrte in die Flammen und dachte gerade, genau wie er, an ihre erste Zeit in diesem Haus. Wenn sie zur Tür schaute, war ihr, als müsste sie sich jeden Moment öffnen und Piers, Mathews Sohn, hereinkommen. Sie zitterte, als die Erinnerungen Gestalt annahmen. Er hatte versucht, sie zu vergewaltigen, zu . sie schüttelte den Kopf, denn sie wollte nicht an jene schlimme Nacht denken.
Anne sah ihren einstigen Herrn an und lächelte herzlich. »Ich fände es schön, wenn Ihr mich nach all dieser Zeit mit dem Vornamen ansprechen
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