Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Irgendjemandem muss sie doch gehören?«
    Wincanton the Less war ein sehr kleiner Ort. Eigentlich eher ein Weiler als ein Dorf, und selbst diese Bezeichnung war eine Schmeichelei.
    Aber es ist mein Weiler, dachte Anne unwillkürlich, als sie und Deborah unangemeldet die breite Straße zum Dorfanger hinuntergingen, um den sich die Mehrzahl der vernachlässigten Häuschen gruppierte. Edward rannte voraus und spielte dabei mit einem Stöckchen, das er immer wieder nach vorn warf, um ihm dann schreiend nachzurennen. Wenigstens einer von ihnen war ohne Sorge. Was man von Anne nicht behaupten konnte. Sie hatte mehr erwartet. Dieser Ort sah richtig heruntergekommen und arm aus, und sie trug nun die Verantwortung für ihn. Ihr gehörten diese kleine Ansammlung von Häusern und, soviel sie wusste, auch ihre Bewohner.
    »Wissy, Wissy, schau doch! Enten. Komm schnell!« Edward war am Dorfanger angekommen, an dessen Ende sich der Dorfteich befand. Er lag bäuchlings am Ufer und lockte mit ausgestreckter Hand ein Entchen an.
    »Vorsicht, Kind!« Deborah eilte zu ihm, als sie sah, wie Edward immer näher zum Wasser robbte. Sie kam gerade noch rechtzeitig. Nur ein Hemdzipfel verhütete, dass Annes Sohn zu enge Bekanntschaft mit dem Entchen machte.
    »Du hast es verjagt!«, rief Edward empört. »Das ist gemein!«
    »Scht, Kind. Die Leute sollen doch nicht denken, Lady Anne hätte einen Grobian zum Neffen.«
    »Ich bin doch kein Grobian. Ich bin nur glücklich!«
    Das mit Entengrütze verzierte Gesicht tat Edwards Würde einen deutlichen Abbruch, aber seine aufsässige Miene sah so reizend aus, dass Anne nicht anders konnte, als laut zu lachen. Deborah wollte sich zurückhalten, aber das Lachen war einfach zu ansteckend, und bald musste auch Edward kichern, da halfen weder Entengrütze noch verletzter Stolz.
    Das Lachen tat ihnen gut nach der Anspannung der vergangenen Tage und Monate. Anne schloss einen Moment die Augen. Sie war aus Brügge geflohen und dann mit Mathew Cut-tifers Hilfe aus London geflüchtet, und nun war sie hier in diesem gottverlassenen Nest gelandet. Waren sie weit genug fort von allem? Konnten sie hier ein neues Leben beginnen?
    Anne spürte die Nähe eines Menschen und öffnete die Augen. Vor ihr stand ein kleines Mädchen in einem geflickten Kittel, der so alt und zerschlissen war, dass alle Farbe aus ihm gewichen war und er nur noch schmutzig braun aussah. Die nackten, blau gefrorenen Füße, die Schürze aus Sackleinen und die steckendünnen Beinchen sagten viel über diesen Ort.
    »Wer bist du, Kind?«, fragte Anne, bekam aber nur Schweigen zur Antwort. »Nun, wenn du mir deinen Namen nicht sagen willst, dann sollst du meinen erfahren. Ich heiße Anne. Anne de Bohun.«
    Vor Schreck riss das Mädchen Mund und Augen auf, und dann rannte es schreiend davon. »Mama, Mama, sie ist da! Mama! Mama!« Das Kind hatte das nächstgelegene Haus erreicht und drückte die Tür auf. Anne erhob sich.
    »Sie wissen von uns?«
    Deborah trat zu ihr und klopfte sich Staub vom Kleid. »In so einem kleinen Ort spricht sich das schnell herum. Wir sind ja schon seit Tagen hier.«
    Die beiden Frauen sahen sich an, und Anne reichte Edward die Hand, um ihm aufzuhelfen. »Komm, wir müssen uns fein machen, wenn wir unsere Nachbarn treffen wollen, Edward.« Automatisch klopfte sie Grassamen und Zweige von Edwards Hemd, zog seine Kniehosen hoch und knöpfte ein paar Knöpfe zu, die aufgegangen waren. Sie war eigenartig ruhig, die Nervosität, die ihr an diesem Morgen beim Aufwachen das Herz zugeschnürt hatte, war verschwunden. Angst. Wenn große Veränderungen in ihrem Leben anstanden, verspürte sie immer Angst. So wie alte Menschen mit arthritischen Knochen einen aufziehenden Sturm spürten, spürte sie bevorstehende Veränderungen. Sie hatte gelernt, auf dieses Gefühl zu achten, auch wenn es ihr oft Angst machte. Jetzt aber empfand sie keine Angst, und das war ein Trost.
    Anne strich ihre Röcke glatt und beobachtete aus den Augenwinkeln eine kleine Gruppe von Menschen, die sich vor der Hütte, zu der das Kind gerannt war, versammelten. Sie drehte sich zu ihnen um und lächelte zuversichtlich.
    »Sollen wir hingehen?«, fragte Deborah kaum hörbar.
    Anne verneinte kopfschüttelnd und fasste die Hand ihres Sohnes fester. »Sie sollen zu uns kommen.«
    Instinktiv verstand Anne de Bohun, wie wichtig diese ersten Augenblicke waren. Dies war ihr Dorf, dies waren ihre Leute.
    Sie wollte nicht unbedingt herrisch erscheinen, aber es war

Weitere Kostenlose Bücher