Der Triumph der Heilerin.indd
sich. Aber Hastings hoffte auch, dass sein Herr Erbarmen zeigte, denn das würde dazu beitragen, das Königreich zu befrieden.
Hastings entdeckte die einstige Köngin von England, Margaret von Anjou, in einem Karren sitzend, dessen Seitenwände aus Zweigen geflochten waren - ein zerbrechlicher Käfig für eine so mächtige Frau. Doch von ihrer einstigen Größe und Macht war nur ein schmutziges, mit Edelsteinen besticktes Samtkleid übrig. Keine Krone, kein Signum ihres Standes. Die Haare fielen der alten Königin wirr über die Schultern. Aus dieser Entfernung war sie immer noch eine gut aussehende Frau, aber in den Tagen nach Tewkesbury war sie sichtlich gealtert. Als Hastings näher kam und Befehl geben wollte, sie nach vorn zu bringen, sah er die Risse in ihrem Kleid. Ein Ärmel war sogar ganz ausgerissen, so dass einer ihrer Oberarme entblößt war, auf dem Hastings lange, blutige Kratzer sah. Edward würde rasen vor Wut, wenn einer seiner Männer ihr Gewalt oder gar Schlimmeres angetan hatte. Margaret von Anjou war einmal eine gesalbte Königin gewesen, auch wenn sie Edward Plantagenets Feindin war.
Aber als Hastings noch näher kam, sah er, wie es wirklich um sie stand. Die Königin hatte ihre eigenen Kleider zerrissen und zerriss sie immer noch. Sie machte sich gerade an einem Saum ihres Kleiderrocks zu schaffen. Jetzt sah er auch ihre blutigen Fingernägel und Hände. Sie hatte sich selbst kasteit. Auch auf ihrem Gesicht waren tiefe Wunden. Und auf ihrem Scheitel, auf dem immer noch dunklen Haar, lag weißer Puder. Asche?
Diese Frau befand sich in tiefer, biblischer Trauer. Sie trauerte um ihren Sohn, wie es ihr angemessen erschien, und es kümmerte sie nicht, was die anderen darüber dachten oder wie sie aussah. Das war alles, was sie an königlichem Stolz bewahrt hatte: Gleichgültigkeit gegenüber der Meinung anderer.
»Bringt den Karren mit der Königin zum König vor. Befehl des Königs«, rief Hastings und verneigte sich dabei vom Pferd herab vor Margaret. Sie beachtete ihn nicht, aber sie stand auf, und das war in einem Wagen, der über einen Pfad voller Furchen schwankte, kein leichtes Unterfangen.
»Madame, seid Ihr durstig?«, fragte Hastings die einstige Königin. Er ritt neben dem Wagen her, um in der sich langsam vorwärtsbewegenden Menschenmasse einen Weg zu bahnen.
»Der König, der König!« Die Soldaten schrien, jubelten, grölten die Worte heraus. Nicht um diese Frau zu beleidigen -sie hatten keine Angst mehr vor ihr, sie war einfach nur eine Frau -, aber um ihrer Erleichterung Ausdruck zu geben, dass sie als Sieger heimkehrten. Wie leicht hätte es auch anders kommen können.
Margaret von Anjou stand aufrecht im Wagen. Sie schwankte, als sie versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Sie sah Hastings mit leeren Augen an. »Ich werde niemals mehr durstig sein.« »Der König, der König!« Sie konnte die Rufe nicht ausblenden. Sie legten sich wie ein Mantel um sie, fesselten sie, erstickten sie, füllten Kehle und Kopf aus. Sie hatte auf Sieg gespielt und hatte verloren. Diese Worte würden sie bis zu ihrem Ende verfolgen. Gott gebe, dass das Ende bald käme.
Kapitel 59
Elizabeth Wydeville hatte ihren rechtmäßigen Platz im Leben wieder eingenommen. Sie war wieder die Königin von England und Mitregentin ihres Gatten, Edward Plantagenet, der Vierte seines Namens. Als sie durch das Hauptschiff der Abtei von Sankt Peter schritt, musste sie an sich halten, um nicht zu lächeln.
Es war ein warmer, prachtvoller Tag Anfang Juni. Die Kirchenglocken läuteten, läuteten für sie und ihren längst überfälligen Dankgottesdienst nach der Geburt ihres Kindes, des edlen, hochwohlgeborenen Prinzen Edward. Des Königs geliebten Sohn.
Unwillkürlich verzogen sich die Lippen der Königin zu einem breiten, seligen Lächeln, als sie diese Worte im Mund hin und her wendete und die liebliche Kraft kostete, die ihnen innewohnte. Des Königs Sohn. Köstlich, die köstlichsten Worte, die sie je gehört hatte. Worte, die die Macht besaßen, ihr Leben zu verändern. Die Mutter von des Königs Sohn, seines unbestreitbar ehelichen Sohnes, die erste Dame im Reich, lächelte wie ein Engel. Und jene, die sie noch nicht kannten, sahen es mit Ehrfurcht, denn vor ihnen schritt die leibhaftige Schönheit. Ihre Königin.
Nach den beengten Lebensverhältnissen im Kirchenasyl war
Elizabeth Wydeville nun besonders prachtvoll gekleidet. Ihr Gewand war das schwerste in der ganzen Abtei. Es war aus gold-durchwirktem
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