Der Triumph der Heilerin.indd
diesen gesegneten Zustand herbeiführen?«
Sie zierte sich, und das stachelte seine Lust erneut an, obwohl er müde war, unendlich müde. Er konnte nicht anders, er musste gähnen. »Ach, Frau, ich fürchte, ich muss schlafen.« Im Dunkeln lächelte sie, als er sich an sie kuschelte, eine Hand auf ihrer Brust, die andere auf ihrer Hüfte.
Sie war selbst nahe daran einzuschlafen, doch da fiel ihr ein, was sie ihn fragen wollte. »Karl, habt Ihr irgendetwas von Edward gehört? Karl?«
Zu spät. Tiefe, gleichmäßige Atemzüge verrieten ihr, dass der Herzog von Burgund schon in Morpheus' Armen lag. Die Herzogin seufzte und machte die Augen zu. Zuvor aber sprach sie noch kurz ein Gebet, in dem sie darum bat, dass ihr Bruder und Anne sich gefunden hatten. Und dass es beiden gut ging und sie in Sicherheit waren.
Bald darauf schlief Margaret von Burgund, die einstige Lady Margaret von England. Ihr Ehemann aber, der Herzog, schlief nicht. Er hatte die Frage wohl gehört, und er wusste auch eine Antwort darauf. Aber das musste warten bis zum Morgen.
Zu Tode erschrocken zwang er sich dazu aufzuwachen, aber er fand keinen Trost, als er wach war, nur neue Verzweiflung. Er hatte wieder geträumt, hatte ihr blutüberströmtes Gesicht gesehen, die klaffende Wunde an ihrem Kopf. Er hatte wieder ihr Schreien gehört, als sie zwischen die eisenbeschlagenen Hufe des Pferdes stürzte. Jede Nacht von Neuem, wieder und wieder. Er konnte sie nicht mehr retten. Sie starb, weil er sie nicht gut genug geschützt hatte. Es war seine Schuld.
Langsam beruhigte sich sein hämmerndes Herz, und fahle Schatten schälten sich aus der fürchterlichen Dunkelheit. Er war durstig, und ihm war so kalt, dass ihm jeder Knochen wehtat. Sie hatten ihm Wasser hingestellt - er musste nur den Arm ausstrecken, dann spürten seine Finger den Rand des Holzkübels -, aber er weigerte sich zu trinken. Er wartete lieber auf das Dünnbier am Morgen. Wenn er in diesem dreckigen Verlies Wasser tränke, würde er am Kerkerfieber sterben, das war sicher wie das Amen in der Kirche.
Anne. War sie noch am Leben, oder war sie tatsächlich gestorben, nachdem man sie hierhergebracht hatte?
Ein metallisches Kratzen. Der Däne setzte sich auf. Jemand drehte den Schlüssel im Schloss!
»He! Seid Ihr da drin?« Leif kannte die Stimme, es war der einzige menschliche Laut, den er in all den Tagen gehört hatte.
»Seid Ihr gekommen, mich zu foltern, Kerkermeister?«
Der Mann lachte und riss die Zellentür weit auf. Das Licht blendete Leif nach der langen Zeit im Dunkeln. »Wenn es eine Folter für Euch ist, in ein besseres Quartier umzuziehen, ja, dann bin ich Euer Mann.«
Leif richtete sich mühsam auf, Schmerz schoss in seine verkrampften Glieder, als das Blut wieder zu strömen begann. »Ein besseres Quartier? Ihr meint wohl den Himmel?« Er schluckte seine Angst hinunter. Vielleicht war nun seine Zeit gekommen. Er hoffte auf einen raschen Tod.
Der Mann lachte wieder und schloss die Fesseln an Leifs Füßen auf, eiserne Ringe, mit denen er an die Wand gekettet war. »Mann, Ihr seid ein Tor. Kommt schon.« Er schubste Leif vor sich her die Stufen hinauf und aus dem Verlies hinaus.
»Sagt mir, ob sie lebt«, bettelte der Kapitän. »Hat meine Frau überlebt? Sagt es mir.«
»Lauft weiter, mein Freund. Lauft einfach weiter. Das werdet Ihr noch früh genug erfahren. Früh genug.«
Und das war alles, was Leif Molnar in dieser Nacht erfuhr, als er mit seinem Kerkermeister durch die ächzende, eisige Finsternis unter dem Binnenhof ging.
Kapitel 24
Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sich Edward Plantagenet entspannt, satt und warm. Er saß in Dame Philomenas Stube am Feuer und kämpfte mit dem Schlaf. Seine Männer lagen auf dem mit Stroh bedeckten Boden und zuckten im Traum wie die Jagdhunde.
Der König gähnte und streckte sich. Dann stieß er Hastings an, der neben ihm zusammengesunken am Esstisch saß.
»Anne. Habt Ihr sie gesehen?«
Der Kämmerer schreckte hoch, die Hand schon am Schwertgriff. Noch halb im Schlaf, aber todesmutig, rief er: »Was? Wo?«
Der König lachte belustigt über die Reaktion seines Gefähr-ten. »Respekt, mein Freund. Aber das Schwert ist nicht nötig. Anne - wisst Ihr, wo sie ist?«
Der Kämmerer zuckte die Achseln und blinzelte. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, die vom tagelangen Reiten verfilzt waren.
»Vielleicht bei unserer Gastgeberin. In der Küche.«
Die beiden Männer verzogen leicht das Gesicht. »Ach ja. Unsere
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