Der Triumph der Heilerin.indd
hin und her, und Anne kuschelte sich vertrauensvoll an ihn wie ein Kind. »Komm. Wir brauchen beide Schlaf.« Edward wusste, dass es außer der Stube noch andere Zimmer geben musste. Bestimmt stand irgendwo auch ein Bett.
Anne öffnete ihre Augen und lächelte. »Können wir zusammen schlafen, Edward?«
Er wusste, was sie meinte. »Ja, mein Liebling. Wie Bruder und Schwester.« Und so schlichen der entthronte König von England und die ehemalige Dienerin und einstige Kauffrau von Brügge Hand in Hand durch die Küche, dann durch die Stube mit den schnarchenden Männern und eine steile Treppe hinauf bis in eine Kammer unter dem ziegelgedeckten Dach.
Dort duftete es nach Äpfeln und nach dem Stroh, in dem sie gelagert waren, und dort gab es auch ein Bett. Nicht breit und auch nicht lang, aber mit einer dicken, weichen, mit Wolle gefüllten Matratze, auf der sie friedlich und ungestört schlafen konnten. Als Decke diente ihnen Edwards pelzgefütterter Mantel. Sie schliefen Arm in Arm fest aneinandergekuschelt wie zwei Kinder. Morgen war ein neuer Tag, doch daran wollten sie jetzt nicht denken.
»Gibt es Neuigkeiten, Mann? Jassy sagte mir,jemand sei gekommen.«
Mathew Cuttifer sah müde auf, als seine Frau das Arbeitszimmer betrat. Er stand an seinem Tisch vor einem Stapel von Kontobüchern, eine Kerze spendete unstetes Licht. Er war zu unruhig, um im Sitzen zu arbeiten, obwohl er maßlos erschöpft war. Seit drei Tagen hatte er nicht mehr geschlafen - nicht schlafen können, denn namenloses Entsetzen quälte ihn, sobald er die Augen schloss -, sein käsiges Gesicht gab beredt Zeugnis davon.
»Nein, Frau. Nichts Wichtiges. Nachrichten von unseren Ländereien im Norden. Dort scheint alles gut zu gehen mit meiner Tochter und ihrem Mann, Gott sei Dank. Von Leifkeine Nachricht.«
Margaret ging rasch zu ihrem Mann und nahm seine Hand. »Mein liebster Mathew, Ihr tut alles, was Euch möglich ist.«
Die Andeutung eines Lächelns zeigte sich auf seinen Lippen. »Aber ist das genug? Wir wissen nur, dass Leif verschwunden ist und die Lady Margaret ebenfalls. Freibeuter? Wer weiß?«
Die Frau nickte ernst. »Kommt, setzt Euch zu mir.« Sie streckte ihre Arme aus, und mit einem Seufzen folgte er ihr gehorsam zu einer Bank neben der Feuerstelle. Das Feuer war mit Asche bedeckt, die zu einem weißlichen Hügel aufgehäuft war, dessen roter Kern die Illusion von Wärme verbreitete. Margaret zitterte. In Wirklichkeit herrschte in dem Zimmer eine Grabeskälte.
»Was hat Leif in seinem letzten Brief geschrieben? Sag es mir noch mal.«
Mathews Kopf dröhnte vor Schmerzen. Er konnte sich kaum konzentrieren. Das Sprechen fiel ihm schwer. »Er hat Anne besucht und sich auf ihrem Hof aufgehalten. Sie hat uns ausrichten lassen, dass Karl von Burgund zögert und den König offenbar nicht unterstützen will. Seither - nichts. Von beiden keine neuen Nachrichten.«
Margaret versuchte, sich und ihm Mut zu machen. »Leif ist ein so tüchtiger Mann, Mathew. Und Anne wird Gründe für ihr Schweigen haben. Ich bin sicher, wir werden bald etwas hören. Und wir müssen Pläne machen, Mann, denn wir werden gute Nachrichten erhalten. Bestimmt!« Energisch tätschelte sie Mathews Hand. »Und wenn Ihr für kommende Änderungen gewappnet sein wollt, müsst Ihr ausgeruht sein, mein Lieber. Zu wenig Schlaf lässt alles in einem düsteren Licht erscheinen. Kommt, ich habe das Bett vorwärmen und einen Kamillentrank für Euch zubereiten lassen. Heute werdet Ihr bestimmt traumlos schlafen.«
Mathew bekreuzigte sich und stand auf. Vielleicht hatte seine Frau recht. Vielleicht würde er diese Nacht ohne Albträume überstehen. Das gebe Gott.
Kapitel 25
Wie war es möglich, dass Nachrichten schneller waren als Reiter, selbst wenn die Wege gut passierbar waren?
Zwei Tage, nachdem sie das Haus von Dame Philomena verlassen hatten, erreichten der König und sein Gefolge das Anwesen von Anne am Ufer des Zwin. Obwohl es erst kurz nach Morgengrauen war, wartete eine Frau am Tor zur Uferstraße.
»Anne!« Die alte Frau stürzte durch das Zwielicht, in ihren Augen leuchtete Dankbarkeit. Anne glitt von ihrem Pferd, einem Pferd, das so schwarz war, dass es in einem bestimmten Licht fast blau aussah. Die beiden Frauen umarmten sich, Tränen des Glücks rannen über ihre Wangen.
Richard sah den König von der Seite an, seine Stimme klang kühl. »Ein glückliches Wiedersehen, Bruder?«
Edward erwiderte ruhig: »Glücklich, ja, aber ...« Er fing den Blick seines
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