Der Trotzkopf
für Ilse weit besser sei, wenn sie mit geringen Mitteln sich einrichten lerne und stets genügsam bleibe.
Ihr Wunsch, Weihnachten nicht in die Heimat zu kommen, wurde gern erfüllt, der Papa schrieb sogar, er lobe ihren verständigen Entschluß. Die weite Reise war im Winter nicht ratsam. Freilich werde er seinen Wildfang schmerzlich vermissen und es werde der Mama und ihm recht einsam sein, aber er wolle sich mit dem Gedanken trösten, daß das nächste Christfest desto schöner ausfallen werde. –
Beinah kränkte sie diese bereitwillige Zustimmung, indes sie kam zu keinem Nachdenken darüber, der Briefträger kam und brachte ihr dreißig Mark.
»Dreißig Mark!« jubelte Ilse. »Nellie, nun sind wir reich! – Komm, laß uns gleich gehen und unsre Einkäufe machen, ich kann die Zeit nicht erwarten.«
»O nein, Kind,« entgegnete Nellie bedächtig, »erst müssen wir ein langer Zettel aufschreiben mit alle Sachen, die wir kaufen werden. Wir müssen doch rechnen, was sie kosten.«
Daran hatte die lebhafte Ilse gar nicht gedacht. Ohne zu überlegen, würde sie blind drauf los gekauft und am Ende wieder nicht gereicht haben.
Die beiden Mädchen machten sich nun daran, eine Liste aufzusetzen. Die nötigen Geschenke wurden aufgeschrieben und von der praktischen Nellie der ungefähre Preis dahinter gesetzt. Als Ilse für die Kinder des Kutscher Johann ebenfalls Sachen zu kaufen aufschrieb, rief Nellie:
»Halt! Du kannst von deine alte Sachen die Kutschermädchen schenken, dann sparen wir Geld.«
»Ich habe nichts,« meinte Ilse, »kaufen geht schneller.«
Nellie hatte sich bereits daran gemacht, in Ilses Kommode und auch im Schranke nachzusehen, um sich zu überzeugen, ob sie nichts fände.
»Man muß sparen und nicht seine Geld aus die Fenster schmeißen.«
Und siehe da, es fand sich allerhand unter Ilses alten Sachen. Schürzen, die sie nicht mehr trug, ein Kleid, das ihr zu eng und zu kurz geworden war, und zuletzt noch das vorjährige Pelzzeug, welches die gütigen Eltern durch neues, weit kostbareres ersetzt hatten.
»Siehst du, Verschwender!« triumphierte Nellie. »Du weißt nicht deine große Schatze. Nun kaufen wir für dein’ Kutscher ein Paar warme Handschuh und fertig ist die ganze Kutschergesellschaft.«
Die wenigen Wochen bis zum heiligen Abend vergingen in rasender Schnelle. Nellie und Ilse hatten neben so mancherlei andern Arbeiten auch noch die neue Puppe anzukleiden. Das war für Ilse eine schwere Aufgabe, und ohne ihre geschickte Freundin wäre sie niemals damit zu stande gekommen.
»Wie geschickt du bist, Nellie,« sagte Ilse, als diese der Puppe das schottische Kleid anprobierte, »das hast du doch geradezu klassisch gemacht. Ich hätte es wirklich nicht fertig gebracht.«
»Aber hast du niemals ein Kleid für dein’ Puppen genäht – oder eine Hut – oder ein Mantel?«
»Nein,« antwortete Ilse aufrichtig, »niemals! Ich habe an den toten Dingern mein Lebtag keine Freude gehabt. Viel lieber habe ich mit den Hunden gespielt.«
»Da ist kein Wunder, wenn du ein klein’, dumm’ Ding geblieben bist! Deine Hunde brauchen kein Kleid,« lachte Nellie. »Nun mußt du auf dein’ alt’ Tage nähen lernen, siehst du.«
Ilse lachte fröhlich mit und bemühte sich, das weiße Batistschürzchen für die Puppe, an welchem sie rings herum Spitzen setzte, recht sauber und nett fertig zu bringen. – Einen Tag vor der Bescherung erhielten die erwachsenen Mädchen, denen es Vergnügen machte, die Erlaubnis, die schöne, große Tanne auszuputzen. Das war ein Fest und für Ilse ganz und gar neu. Niemals hatte sie sich bis dahin selbst damit befaßt, und sie kannte es nicht anders, als daß am Weihnachtsabend ein mit vielem kostbaren Zuckerwerk behangener Baum ihr hell entgegengestrahlt hatte, – hier lernte sie kennen, daß auch ohne Zuckerwerk derselbe herrlich zu schmücken war.
Nach dem Abendbrot, als die jüngeren Mädchen und auch die Engländerinnen, die kein Verständnis für das harmlose Vergnügen hatten, zu Bett gegangen waren, begann das Werk.
Orla brachte einen großen Korb mit Tannenzapfen, selbst gesucht auf den Spaziergängen im Walde, und setzte denselben auf die Tafel. Annemie stellte zwei Schälchen mit Gummiarabikum daneben, in das eine schüttete sie Silber-, in das andre Goldpuder und rührte es mit einem Stäbchen um.
»Wer will mir helfen,« rief Orla.
»Ich! ich!« antwortete es von allen Seiten; nur Ilse schwieg, sie
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