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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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Betragen, das besonders seit dem Tode Lillis tadellos geworden war, wurde von ihren Lehrern und Lehrerinnen rühmend hervorgehoben, nur die englische Lehrerin schloß sich dieser Ansicht nicht an. Sie blieb bei ihrem Vorurteile und fand, daß Ilse nach wie vor ohne jede Manier und Grazie sei, auch tadelte sie sehr ihre englische Aussprache. 
    »Laß dir nix vormachen, Ilse,« sagte Nellie, als sie allein waren. »Du sprichst schon ganz nett englisch und drückst dir stets sehr fein aus. Uebrigens tröste dir mit mir, sieh, was sie hier geschrieben haben,« – und sie reichte betrübt der Freundin ihr Zeugnis, und Ilse las: Besondere Bemerkung: ›Nellie macht sehr langsame Fortschritte in der deutschen Sprache.‹ – »Ist das nicht unrecht?« fragte sie. »Ich gebe mich so furchtbar große Mühe mit eure schwere Sprache.« 
    Nun war die Reihe zu trösten an Ilse. Dieselbe versprach ihr von jetzt an, keinen Schnitzer mehr durchgehen zu lassen, Nellie dagegen wollte täglich eine volle Stunde nur englisch mit der Freundin plaudern. 
    Flora war in höchster Aufregung. Sie fand es geradezu großartig, daß Doktor Althoff ihr eine II in der Litteratur geben konnte. »Mir das!« rief sie aus, sobald er sich entfernt hatte, »mir das! die ich selbst schon so lange litterarisch thätig bin! Aber Sie werden sich wundern, Herr Doktor, Sie werden sich wundern!« 
    Diese geheimnisvolle Anspielung bezog sich auf ihr jüngstes Werk. Sie hatte gestern den letzten Federstrich daran gethan und es dann sogleich mit einem Briefe auf rosa Papier dem Lehrer zur Durchsicht gegeben. Mit bescheidenem Selbstbewußtsein hatte sie hinzugefügt, sie rechne darauf, daß ihr Zauberspiel am Geburtstage der Vorsteherin aufgeführt werde. Sollte Herr Doktor einige kleine Aenderungen für notwendig finden, so würde sie sich gern seinem Rate fügen. – 
    Es waren einige Tage darüber vergangen und noch hatte sie keine Antwort erhalten. Warum mochte er zögern? Gefallen mußte ihm »Thea, die Blumenfee«, darüber war sie nicht im Zweifel. Sie hatte sich so hineingelebt in ihre Zauberposse, und ihre Phantasie flüsterte ihr einen großartigen Erfolg in das Ohr. Sie hörte den stürmischen Beifall der Anwesenden, – die Dichterin wurde gerufen! – Sie träumte wachend, langsam – gesenkten Auges trete sie aus den Kulissen hervor. – »Flora!« ruft es von allen Seiten, und voller Staunen richten sich aller Augen auf sie. – Ja, staunt nur, ihr Ungläubigen, die ihr die arme Flora so oft verkannt habt! Jetzt hat sie euch überzeugt, daß ihre Dichtkunst kein leerer Wahn ist! – Bescheiden und demütig verneigt sie sich nach rechts und links – ohne den Blick zu erheben – sie war vor den Spiegel getreten, um Blick und Verbeugung einzustudieren. – »Die Blumenfee werde ich vorstellen,« träumte sie weiter, »natürlich! Wer anders könnte sich so in den Geist der Rolle versetzen, als ich! Wie herrlich wird mir das Kostüm stehen! Ein Kleid von Silbergaze mit Rosen durchwebt, eine goldene Krone auf dem Haupte, ein langer, duftiger Schleier und offnes, wallendes Haar!« 
    Ganz in Gedanken versunken löste sie die aufgesteckten Flechten und drapierte das Haar malerisch um ihre Schultern. Unwillkürlich kamen ihr dabei die ersten Verse ihres großen Werkes auf die Lippen und laut, mit pathetischer Stimme, fing sie an zu deklamieren: 
    »Heraus, ihr Blumen, aus euren Kelchen, Ich will mit euch spielen! Eilt euch, ihr lieben Tulpen und Nelken, Laßt mich nicht warten, ihr vielen, vielen, Heraus, heraus!« 
    Ein lautes Pochen an der Thür und ungestümes Auf- und Niederdrücken des Griffes unterbrach sie höchst unangenehm. Zugleich wurde Gretes Stimme laut. 
    »Warum schließt du dich denn ein? Mach’ schnell auf, ich bringe dir etwas!« 
    In aller Eile befestigte Flora ihr Haar, schob dann den Riegel zurück und fragte ärgerlich: »Was willst du denn?« 
    Grete war in das Zimmer getreten und sah sich verwundert um. »Du sprachst doch eben laut,« sagte sie, »mit wem hast du dich denn unterhalten?« 
    Flora blieb ihr die Antwort schuldig; sie sah ihr Manuskript in Gretes Hand, ungestüm nahm sie es an sich. 
    »Gieb her! Wie kommst du zu meinem Hefte?« 
    »Nur nicht so heftig,« entgegnete Grete, »was fällt dir denn ein? Es ist die reine Gefälligkeit, daß ich es dir bringe. Doktor Althoff hat es mir für dich übergeben.« 
    »Warum ließ er mich nicht selbst rufen? Du wirst dich wohl wieder vorwitzig aufgedrängt haben,

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