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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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viel Umstände. »Wie du willst, Flora,« sagte sie, »macht es dir kein Vergnügen, diese allerliebste Rolle zu übernehmen, so wähle ich eine Tagesschülerin dafür und du kannst diesmal nur Zuschauerin sein.« 
    Das behagte Flora noch weniger. Nach einigem Zögern entschloß sie sich, freilich wie sie sagte, mit großer Selbstüberwindung, die Alte zu spielen. Ilse und Melanie stellten deren Töchter dar und paßten in ihren Charaktereigentümlichkeiten prächtig dazu. Melanie putzsüchtig, elegant und eitel, Ilse das Gegenteil. Wild und unbändig, trotzig und widerspenstig, natürlich nichts weniger als elegant führt sie die übermütigsten Streiche aus und die schwache Mutter ist nicht im stande, sie zu zügeln. Da erscheint ein junger, entfernter Verwandter, interessiert sich für den Wildfang und versteht es, durch Güte und Festigkeit die Tugenden in demselben zu wecken und die Widerspenstige zu zähmen. Zum Schlusse wird sie seine Braut. 
    »Orla, du kannst die Rolle des Vetters übernehmen,« bestimmte die Lehrerin. 
    »Orla?« fragte Ilse verwundert, »sie kann doch keinen Mann darstellen?« 
    Es erhob sich ein wahrer Sturm unter den jungen Mädchen bei Ilses unschuldiger Frage. Die Stimmen schwirrten durcheinander, denn jede war bemüht, Ilse über ihre Unwissenheit aufzuklären. 
    »Weißt du denn nicht, wie es bei uns Sitte ist?« fragte Orla. 
    »Mit Herren dürfen wir nicht Theater spielen,« bemerkte Flora spottend, »sie sind verpönt in der Pension!« 
    »Du bist naiv, Ilse!« rief Melanie. »Das ist ja eben so ledern und furchtbar öde, daß wir Mädchen auch Männerrollen geben müssen!« 
    »Herren, Herren!« wiederholte Annemie unter lautem Lachen, »es ist zum totlachen!« 
    »Ja, wenn Herren mitspielten, dann möchte ich Ilses Rolle spielen,« überschrie Grete mit ihrer kräftigen Stimme alle übrigen, »so aber –« 
    »So aber wirst du den Bauernjungen übernehmen, Grete,« fuhr Fräulein Güssow dazwischen. Die Aufgeregten hatten ganz deren Gegenwart vergessen. »Und jetzt bitte ich mir Ruhe aus, ihr unbändigen Kinder! Fräulein Raimar hat ihre triftigen Gründe zu ihren Bestimmungen, wie könnt ihr euch dagegen auflehnen? Daß ihr noch zu kindisch seid, dieselben zu verstehen, habe ich in diesem Augenblicke klar und deutlich gesehen! Schämt euch! ... Jetzt macht euch daran, eure Rollen auszuschreiben, morgen werden wir eine Leseprobe halten.« Mit diesen Worten verließ sie die aufrührerische Gesellschaft. 
    Alle schwiegen bis auf Grete, sie konnte nicht unterlassen, noch einmal zu sagen: »Langweilig ist es doch ohne Herren! Und den dummen Bauernjungen spiel’ ich nicht!« 
    Aber sie spielte ihn doch und es zeigte sich bald, daß sie ganz vortrefflich dazu paßte. 
    Die täglichen Proben brachten die gewünschte Zerstreuung. Ilse besonders fand viel Freude an einem Vergnügen, das ihr bis dahin unbekannt gewesen war. Die anfängliche Befangenheit überwand sie bald und sie spielte ihre Rolle zur vollen Zufriedenheit Fräulein Güssows, die zuweilen ein Lächeln über die höchst natürliche Darstellung nicht unterdrücken konnte. 
    Zur Hauptprobe mußten alle in ihren Kostümen erscheinen, damit sie sich gegenseitig an den veränderten Anblick gewöhnten. Diese Bestimmung war sehr gut, denn als sie sich in ihren komischen Anzügen betrachteten, konnten sie das Lachen nicht zurückhalten. 
    Flora mit langen Scheitellocken und einer Spitzenhaube, mit einem Lorgnon, das sie vor die Augen hielt, war kaum zu erkennen. Das elegante, schwarze Schleppkleid ließ sie weit größer erscheinen, als sie war. Sie war übrigens ganz ausgesöhnt mit ihrer ›alten‹ Partie und das Lob, welches Fräulein Güssow ihr einige Male erteilte, hatte sie zu der Idee gebracht, daß ihr eigentlicher Beruf der einer Schauspielerin sei, und sie träumte Tag und Nacht ›von der Welt, welche die Bretter bedeuten‹, ›Dichterin – Schauspielerin‹. Eine große Zukunft stand ihr bevor! 
    Orla sah in ihrem Jägeranzuge, den grünen Hut keck auf das eine Ohr gesetzt, wirklich gut aus, und der kleine Stutzbart, mit dem sie die Oberlippe geziert hatte, gab ihr ein keckes Ansehen und stand ihr allerliebst. 
    »Famos siehst du aus, Orla!« meinte Melanie und betrachtete mit besonderem Entzücken deren Stulpenstiefel. 
    »Du solltest immer so gehen,« setzte Flora ganz ernsthaft hinzu. Natürlich wurde sie ausgelacht. 
    Grete war ein Bauernjunge, wie er sein muß. Plump und ungeschickt,

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