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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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hielt sie im Arme und redete liebevoll auf sie ein. 
    »Es thut mir leid, daß dein Vater verhindert ist, dich abzuholen,« sagte sie, »nun mußt du die weite Reise allein machen! Gern hätte ich ihn auch noch einmal gesprochen und mancherlei mitgeteilt, was ich nun schriftlich thun mußte. Wie erstaunt wird er sein, wenn er dich wiedersieht, er wird die frühere Ilse gar nicht wieder erkennen! Weißt du wohl noch, wie ungern du damals zu uns kamst?« 
    »Verzeihen Sie mir,« bat Ilse unter Thränen, »und vergessen Sie, wenn ich Sie kränkte!« 
    »O, rede nicht davon! Du bist uns allen eine liebe Schülerin geworden und ungern sehen wir dich scheiden. Ich hoffe, du schreibst mir zuweilen, liebe Ilse, und giebst mir Nachricht, ob du gute Fortschritte in der Musik und besonders im Zeichnen machst. Ich habe den Papa gebeten in diesem Briefe,« sie übergab Ilse denselben, »daß er dir noch in einigen Fächern Nachhilfe geben lassen möge, besonders möge er für einen tüchtigen Lehrer im Zeichnen sorgen, da du viel Talent dazu habest.« 
    Fräulein Güssow trat ein und meldete, daß der Wagen vor der Thüre stehe, sie und Nellie begleiteten Ilse zur Bahn. 
    »Leb wohl denn, mein Kind,« sagte die Vorsteherin, »und wenn du einmal Sehnsucht nach der Pension bekommen solltest, so kehre zu uns zurück, jederzeit wirst du uns von Herzen willkommen sein.« 
    Im Hausflur standen die Freundinnen versammelt. Sie umringten die Scheidende und reichten ihr Blumensträuße. Natürlich küßten und herzten sie sich unter Thränen. 
    »Vergiß uns nicht!« »Schreib bald!« »Ich habe dich furchtbar lieb gehabt!« so und ähnlich klang es durcheinander, und ehe Ilse in den Wagen stieg, flüsterte Flora ihr zu: »Gedenke deines Schwurs!« 
    »Die Blumen werden dir lästig sein unterwegs, Ilse,« meinte Fräulein Güssow, die bereits mit Nellie im Wagen Platz genommen hatte, »laß sie zurück und nimm aus jedem Strauße nur einige Blümchen mit.« 
    Aber welches junge Mädchen würde auf diesen vernünftigen Vorschlag eingegangen sein! Eine Abreise ohne Strauß ist gar keine richtige Abreise nach heutigem Begriffe. Natürlich schüttelte Ilse den Kopf und sah das Fräulein bittend an. »Ich möchte sie so gern alle mitnehmen,« sagte sie. 
    »Aber wie?« Darauf gab Rosi die Antwort. Sie hatte ein offenes Körbchen herbeigeholt und legte den ganzen Blumenvorrat vorsichtig hinein. 
    Und nun zogen die Pferde an; noch ein »Lebewohl«, ein letzter Abschiedsblick, ein Grüßen mit dem Tuche und hinter ihr lag die Stätte, an der sie eine glückliche und lehrreiche Zeit verlebt. Ilse lehnte sich im Wagen zurück und weinte laut. 
    Als die Damen am Bahnhofgebäude anlangten, war der Zug soeben eingefahren. Er hatte fünfzehn Minuten Aufenthalt und Fräulein Güssow hatte Zeit, ein passendes Koupee für Ilse auszusuchen. 
    »Wo ist ein Damenkoupee? fragte sie den Schaffner, »diese junge Dame fährt nach W.« 
    »Hier! hier!« rief es aus dem Fenster eines Koupees hinter ihr, »hier können junge, hübsche Damen Platz nehmen!« 
    Das Fräulein wandte den Kopf und blickte in ein fröhliches Studentenangesicht. Das Cereviskäppchen saß ihm keck auf einem Ohre und kaum geheilte »Schmisse« schmückten Kinn und Wange. Hinter ihm standen noch einige andre Studenten und lachten zu dem Scherze ihres Freundes. Laut und ungeniert bewunderten sie die jungen Mädchen. 
    »Entzückend! Wunderbar! Fortuna mit dem Füllhorne!« riefen sie den Damen nach, die sich eilig entfernten. – Fräulein Güssow ergriff unwillkürlich Ilses Hand, die hocherrötet war. 
    »Wie unverschämt!« sagte sie entrüstet, »wie konnten sie das wagen! Ach Ilse, ich bin in Sorge um dich!« – Und sie ließ einen recht besorgten Blick über das junge Mädchen hingleiten, das in seinem schottischen Reisekleide, dem passenden Barett mit blau schillerndem Flügel an der Seite, überaus lieblich aussah. – »Du reistest noch niemals allein, und jetzt mußt du ohne Schutz die lange Fahrt machen. Wenn doch dein Papa dich abgeholt hätte!« 
    »Das war nicht möglich!« entgegnete Ilse. »Er mußte daheim bleiben, um Mamas einzigen Bruder, der zehn Jahr in der Welt umhergereist ist, heute zu begrüßen. Ich habe ihn selbst darum gebeten, als er mir schrieb, daß er trotzdem kommen wolle. Ich bin auch gar nicht ängstlich, es ist ja heller Tag. Papa hat mir auch die ganze Reiseroute so genau aufgeschrieben, daß ich mich nicht irren kann.« 
    »Lies mir das

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