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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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noch einmal vor,« sagte Fräulein Güssow. »Ich möchte dich gern mit meinen Gedanken begleiten. Du, Nellie, könntest indessen Ilses Handgepäck in das Koupee legen.« 
    Ilse nahm aus einem roten Ledertäschchen, das sie an ihrem Gürtel befestigt an der Seite trug, einen Brief und las: 
    »Um elf Uhr Abfahrt von dort, um zwei Uhr Ankunft in M. Bis drei Uhr Aufenthalt daselbst. Dann Weiterfahrt ohne umzusteigen bis Lindenhof. Um fünf Uhr langst du dort an, steigst aus und wirst von meinem alten Freunde, Landrat Gontrau mit seiner Frau, empfangen. Sie nehmen dich mit hinaus nach Lindenhof, wo du, auf ihre dringenden Bitten, übernachtest. 
    »Am andern Mittag fährst du weiter und Gontrau hat mir versprochen, dich sicher zur Bahn zu befördern und alles Nötige für deine Weiterreise zu besorgen. 
    »Vergiß nicht, eine Photographie von mir in die Hand zu nehmen; Gontraus, denen du ja unbekannt bist, werden dich daran erkennen.« 
    »Hast du das Bild?« fragte das Fräulein, und als Ilse bejahte, gab sie derselben noch mancherlei gute Lehren mit auf den Weg. »Ich weiß, du bist verständig und wirst auch vorsichtig sein, aber du bist noch unerfahren und kennst die Welt und die Menschen nicht; – es giebt Leute, die gar zu gern unsre ganzen Lebensverhältnisse herauslocken möchten und höchst geschickt zu fragen verstehen; weiche ihnen soviel wie möglich aus und sei höchst vorsichtig in deinen Aeußerungen. Für alle Fälle warne ich dich aber, in keiner Weise eine Aufmerksamkeit oder eine Gefälligkeit, wenn sie dir überflüssig erscheint, von einem Herrn, sei er jung oder alt, anzunehmen. Folge nur stets deiner zurückhaltenden Natur, liebes Herz, dann wirst du auch das Rechte thun.« 
    »Einsteigen!« rief der Schaffner und unterbrach die liebevollen Ermahnungen der jungen Lehrerin. Weinend umarmte Ilse dieselbe, und alles, was sie an Liebe und Dankbarkeit für dieselbe empfand, stammelte sie in zwei Worten mühsam hervor: »Dank – Dank –« 
    »Leb’ wohl denn, mein geliebtes Kind!« entgegnete diese und schloß ihr den Mund mit einem innigen Kusse. 
    Und Nellie? Der Abschied von ihr war der schwerste Augenblick für Ilse. »Behalt’ mir lieb,« bat sie kaum hörbar und sah dabei so unglücklich aus, als ob das Glück für immer von ihr scheide. Und Ilse hielt sie fest umschlungen und vermochte kein Wort hervorzubringen, – dann riß sie sich los und stieg ein. 
    Im letzten Augenblicke stieg noch eine alte Dame mit weißen Locken ein. Sie war ganz außer Atem von dem eiligen Gehen und schien etwas ängstlich und unbeholfen zu sein. Fräulein Güssow war ihr beim Einsteigen behilflich und als der Schaffner ihr Billett koupierte, erfuhr sie zu ihrer großen Freude, daß die Dame und Ilse die gleiche Reisetour hatten. Sie richtete die herzliche Bitte an dieselbe, daß sie das junge Mädchen unter ihren Schutz nehmen möge. Mit größter Liebenswürdigkeit versprach dies die Dame. 
    Langsam setzte sich der Zug in Bewegung. Ilse lehnte zum Fenster hinaus und grüßte mit dem Tuch die Zurückbleibenden. – Schmerzlich bewegt blickte Fräulein Güssow dem Zuge nach, es war ihr, als ob er ein Stück von ihrem Herzen mit sich nähme! Noch nie hatte sie mit so vieler Liebe und Hingebung sich der Erziehung einer Schülerin gewidmet, noch nie hatte sie sich durch den glücklichen Erfolg so belohnt gefühlt. – Nun ging sie fort und wer konnte sagen, ob sie das Kind je wiedersehen werde? 
    »Komm,« wandte sie sich der laut schluchzenden Nellie zu, »wir wollen gehen!« Und sie zog Nellies Arm durch den ihrigen und sprach tröstende Worte zu ihr – und hatte doch selbst ein so tiefbetrübtes Herz. 
    * * * 

Im Flug entführte der Dampfwagen Ilse dem Orte, 
    den sie unter so verschiedenartigen Gefühlen betreten und wieder verlassen hatte. Reichlich flossen ihre Thränen. Sie hielt das Tuch gegen die Augen gedrückt und die liebliche Gegend, an der sie vorüberfuhr, die Berge, die ihr vertraute Bekannte geworden, erhielten keinen Abschiedsgruß von ihr. Ein Sonnenstrahl stahl sich zum Fenster hinein, fiel auf ihr lockiges Haar und färbte es golden, aber Trost in ihrem Kummer vermochte er ihr nicht zu bringen. 
    Die Dame sah teilnehmend auf die Weinende, aber sie störte sie nicht in ihrem Schmerze. Erst als sie bemerkte, daß Ilse ruhiger wurde, knüpfte sie ein Gespräch mit ihr an. 
    »Ich verstehe Ihren Kummer wohl, liebes Kind,« sagte sie herzlich, »und kann Ihnen nachempfinden, wie

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