Der Trotzkopf
verrauschen –« gab Flora als Echo zurück.
»Ruhig!« geboten die andern, »laß Orla sprechen!«
»So frage ich euch denn: wollt ihr mit mir in diesem feierlichen Augenblicke geloben, daß ihr heute in drei Jahren zurückkehren wollt? Hier unter der Linde, am siebenten Juli, morgens elf Uhr, soll uns ein frohes Wiedersehen vereinen. Seid ihr mit meinem Vorschlage einverstanden?«
»Ja!« rief es einstimmig und begeistert, »wir kommen!«
»Schwört einen Eid darauf!«
Sie erhob drei Finger der rechten Hand und alle übrigen folgten ihrem Beispiele. Nur Rosi zögerte.
»Es könnten doch Hindernisse eintreten, die eine Reise hierher unmöglich machten,« warf sie mit ihrer sanften Stimme ein.
»Hindernisse, das heißt, nur wichtige Hindernisse heben den Eid auf!« erklärte Orla. »In diesem Falle ist die Ausbleibende verpflichtet, durch einen ausführlichen Brief den Grund ihres Eidbruches anzugeben. Beschwört auch das!«
Wieder erhoben sich die Hände und diesmal zögerte Rosi nicht, sich dem Schwure anzuschließen.
»Nun haben wir uns für ewig verbunden!« nahm Orla wieder das Wort, »und jede von uns wird ihren Eid halten, damit wir indes stets desselben gedenken, mache ich euch einen Vorschlag. Wir wollen zur Erinnerung an diese heilige Stunde einfache, silberne Ringe anfertigen lassen, die wir an dem kleinen Finger der linken Hand tragen. Jede von uns erhält einen solchen und trägt ihn bis zu ihrer Sterbestunde.«
»Bis zu ihrer Sterbestunde!« sprach Flora langsam und elegisch nach.
Die Ringidee wurde von allen reizend, famos und entzückend gefunden und mit Begeisterung angenommen. Orla, die von ihrem erhabenen Platze heruntergesprungen war, wurde umringt und mit schmeichelhafter Anerkennung überhäuft. Melanie prophezeite ihr geradezu eine große Zukunft als Rednerin, sie habe ›furchtbar reizend‹ gesprochen.
Alle befanden sich übrigens in einer gehobenen Stimmung, sie fielen sich in die Arme, küßten sich und versicherten sich gegenseitig der zärtlichsten Freundschaft, die nur mit dem Tode enden könne.
Sie glaubten ganz ernst an ihre Versprechungen, kein Zweifel vergiftete ihre unschuldsvolle Zuversicht. Der Mond lugte wischen den Zweigen hindurch und blickte wie spottend mit einem Auge auf das rührende Schauspiel. Vielleicht verstand ihn der alte Baum, vielleicht bedeutete das leise Rauschen in seinem Wipfel die Antwort: Du Zweifler da oben, spotte nicht über die gläubigen Kinder. Weißt du nicht, daß es immer so war und immer so sein wird? Die Träume der Jugend gehören zur jungen Brust, wie der Tau zur Rose. Enttäuschung und Nüchternheit töten früh genug diese Blüten der kurzen Maienzeit.
»Orla,« sagte Flora, als sie langsam in das Haus zurückkehrten, »auch ich möchte einen Vorschlag machen. Wenn eine von uns Freundinnen, die wir uns bis in den Tod verbunden haben, in den Bund der heiligen Ehe tritt, so soll es ihre Pflicht sein, ihre Genossinnen zu diesem hohen Feste einzuladen.«
»Ja,« stimmte Orla bei, »das ist ein guter Gedanke, wir wollen denselben mit einem Handschlag besiegeln.«
Sie schlossen einen Kreis und reichten sich die Hände, verzogen auch keine Miene dabei. Nur Ilse konnte das Lachen nicht lassen, die Hochzeitsgedanken kamen ihr gar zu komisch vor.
»Ich trete zwar niemals in den Bund der heiligen Ehe, aber ich gebe doch mein Handschlag zu die Einladung,« neckte Nellie.
»Spotte nicht über so ernste Dinge,« sprach Flora zürnend. »Wir sind nicht aufgelegt zu deinen Scherzen.«
»O, ich scherz’ gar nix, aber wie soll ein arm’ häßlich Engländerin mit sehr viel Sommerspross’ auf der Nas’ ein Mann bekommen?«
Diese komische Bemerkung verscheuchte den Ernst von den jugendlichen Stirnen und Scherz und Frohsinn kehrten zurück.
Ehe sich Flora zur Ruhe begab, schrieb sie in ihr Tagebuch:
»Welch ein großer, ereignisvoller Tag! O, ich zittere noch, wenn ich daran denke! Mondschein! Rosenduft! Linde! Sang der Philomele! Orla hinreißend gesprochen (Meine nächste Heldin Orla heißen!) Freundschaftsbündnis! Schwur! Hochzeitsversprechen! (Meine entzückende Idee!) Handschlag darauf! Wie heißt die Hochbeglückte, die zuerst denselben löst? Schicksal, du dunkles, laß mich den Schleier heben! Giebt es Ahnungen, sollt’ ich? –«
Sie legte die Feder nieder, schloß das Buch und verbarg es tief in ihrem Kommodenkasten. Ihre Hand zitterte und ihre Gedanken verwirrten sich. Sie legte
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