Der Tuchhändler (German Edition)
schwer auf eine Bank fallen und nickte. Er starrte ins Feuer und rieb sich geistesabwesend mit der rechten Hand über die schmerzende Stelle.
»Hanns«, sagte ich nach längerem Schweigen, »die Kerle hatten es auf mich abgesehen. Du warst nur ein zufälliges Opfer.«
»Wenn das eine Entschuldigung werden soll«, sagte er und hob den Kopf, »dann denk daran, daß ich dich gebeten habe, mich zu begleiten. Und daß dies alles nicht passiert wäre, wenn ich dich nicht in diese Geschichte hineingezogen hätte.«
Ich nickte langsam.
»Ich bin froh, daß dir nichts geschehen ist«, sagte ich. Er gab meinen Blick zurück und zog die Augenbrauen hoch, ohne mir zu antworten.
»Das Glück an der ganzen Sache ist, daß wir jetzt Gefangene haben«, sagte ich. »Wir müssen die Kerle schnellstens verhören lassen.«
»Richter Girigel kümmert sich bereits darum.«
»Tatsächlich?« sagte ich verblüfft. »Ich dachte, er sei in Burghausen?«
»Ich habe ihn gestern abend noch benachrichtigen lassen; mit einer seiner Brieftauben. Vor ein paar Minuten fand sich seine Antwort an einer anderen Taube in seinem Taubenschlag.«
»Was hat er geschrieben?«
»Er sei sehr betroffen und bedauere den Vorfall. Er habe bereits Anweisungen gegeben, einen seiner Vertrauten nach Landshut zu schicken und mit der Befragung zu beginnen.«
»Ich hoffe, er hält uns auf dem laufenden.«
»Bestimmt. Ich habe ihm ein schlechtes Gewissen eingeredet.«
»Ein schlechtes Gewissen? Was hätte er schon tun können, wenn er in Landshut gewesen wäre?«
»Das meine ich nicht«, sagte er und lächelte. »Ich habe ihm im Scherz geschrieben, er solle sich für seine Landsleute schämen. Wir konnten wenigstens erfahren, daß die Leute, die uns überfallen haben, aus Ingolstadt stammen. Der Richter auch.«
Ich mußte plötzlich ebenfalls lächeln und schüttelte den Kopf. »Als die Kerle mich am Sonntag abend ansprachen«, sagte ich, »bemerkte ich ihren Dialekt. Er kam mir bekannt vor; ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, weshalb. Natürlich; sie sprachen wie der Richter.«
»Mir ist noch etwas anderes aufgefallen.« Altdorf er wurde wieder ernst. »Kommst du nicht darauf?«
»Bezüglich Ingolstadt?«
Er nickte. »Du weißt, welche unguten Erinnerungen Landshut und Ingolstadt verbinden«, sagte er.
»Der Krieg zwischen Herzog Ludwig dem Bärtigen von Ingolstadt und seinem Sohn! Hat nicht Herzog Heinrich damals den Sohn unterstützt?« rief ich.
»So ist es«, knurrte Altdorfer. »Ludwigs des Bärtigen Sohn, den sie Ludwig den Höckrigen nannten; in Frankreich geboren, von seiner Mutter zu Fuß bis nach Ingolstadt getragen und durch den langen Transport in der Kraxe für sein Leben verkrüppelt.«
Ich konnte mich an den Konflikt erinnern, der ursprünglich durch die ungerechte Aufteilung des Herzogtums Straubing an die damaligen drei Witteisbacher Herzöge ausgelöst worden war; ich war zu jener Zeit ein Lehrling in den Diensten eines Augsburger Kaufherrn gewesen, und ich wußte noch gut, daß er nach dem Ende der Auseinandersetzungen, die nicht nur Ludwig den Bärtigen und seinen Sohn, sondern über Jahrzehnte hinweg alle drei Witteisbacher Linien Landshut, München und Ingolstadt beschäftigt hatte, zu mir sagte: Gott sei Dank hat Heinrich von Landshut jetzt die größte Macht in Bayern; seine Führung macht das Land, das ihm gehört, für einen Kaufmann zu einem Rosengarten.
»Wenn ich mich recht entsinne, hat sich Ludwig der Höckrige gegen die Verachtung, die ihm sein Vater entgegenbrachte, und gegen die geplante Enterbung aufgelehnt und ihn – ich weiß nicht mehr, wann – gefangengenommen«, sagte ich.
»Richtig«, erwiderte Altdorfer. »Danach hat er zwei Jahre regiert, bevor er ebenfalls verstarb. Sein Vater wurde an Herzog Heinrich ausgeliefert und starb vier Jahre nach seiner Gefangennahme im Kerker von Burghausen, von der Welt verachtet und von Gott und der Kirche verlassen. Die Länder der Ingolstädter aber fielen Herzog Heinrich zu, als sich ihm deren Landstände unterwarfen.«
»Gegen den Willen der Münchner Herzöge«, sagte ich grimmig, »und gegen den Willen der unehelichen Söhne von Ludwig dem Bärtigen. Du nimmst an, daß noch immer Ressentiments aus jener Zeit gegen Landshut vorherrschen und König Matthias von Ungarn sich einiger rachsüchtiger Querköpfe bedient, um seine Ziele zu erreichen.«
»Es ist nur eine Vermutung«, erklärte er. »Da Herzog Heinrich von Landshut schon bald nach Ludwig dem Bärtigen
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