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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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bald zurück und berichteten, daß die Kerle Euch überholt und sich in Neustadt getrennt hätten, um so schnell wie möglich beide Zugänge zur Freyung abzuriegeln. Da war mir klar, daß sie nichts Gutes im Schilde führten, und ich trommelte alle verfügbaren Männer zusammen und folgte Euch nach.«
    »Habt Ihr die anderen erwischt?«
    »Ich habe es gar nicht erst versucht. Ich wollte kein Risiko eingehen und bin mit all meinen Leuten Euch nachgelaufen. Ich nehme an, sie werden inzwischen über alle Berge sein.«
    Ich nickte langsam; es hätte mir besser gefallen, wenn auch die übrigen Strolche den Wappnern in die Hände gefallen wären.
    »Kann ich die Gefangenen etwas fragen?«
    Er breitete gleichgültig die Hände aus.
    »Wenn Ihr Euch etwas davon versprecht...«
    Ich nahm eine der Fackeln und schritt zu den Männern. Als ich mich ihnen näherte, begann meine Hand zu zittern, aber ich unterdrückte die Reaktion und leuchtete ihnen ins Gesicht; ich betrachtete selbst die Züge des Toten. Keiner der drei schien der Mann zu sein, der sich gestern als der Anführer der Strauchdiebe hervorgetan hatte. Ihre Gesichter waren mir unbekannt, aber das bedeutete nichts; ich hatte gestern keinen der anderen Männer genau angesehen. Ich versuchte, in ihren Augen ein Zeichen des Erkennens zu lesen, aber der eine hielt den Blick stur zu Boden gerichtet, und der andere starrte mir nur voller Panik ins Gesicht. Er zitterte beinahe ebenso stark wie ich selbst. Er war jung, höchstens so alt wie mein Sohn Daniel.
    »Wer hat euch geschickt?« fragte ich ihn.
    Er antwortete nicht. Sein Mund arbeitete, und seine Augen zuckten hin und her, aber außer seinem stoßweisen Atem kam ihm nichts über die Lippen. Der Anführer der Wappner trat neben mich und leuchtete ihm mit einer zweiten Fackel ins Gesicht. Die Augen des jungen Mannes irrten von mir ab und hefteten sich mit noch größerer Furcht auf ihn.
    »Wer hat euch geschickt?« wiederholte ich.
    Ich erhielt keine Antwort. Der Anführer der Wappner wandte sich an mich und sagte gelassen: »Ich glaube nicht, daß Ihr damit weiterkommt.« Er wandte sich ab. Im nächsten Moment wirbelte er herum, stieß die Fackel dem jungen Burschen ins Gesicht und brüllte: »Wer hat dich geschickt, du Bastard!?«
    Der Bursche zuckte zurück und stieß sich den Hinterkopf heftig an der Mauer. Ein Winseln entrang sich ihm, und seine Lippen fingen noch heftiger an zu zittern. Plötzlich rann ihm ein Speichelfaden den Mundwinkel hinunter. Der andere der Männer regte sich, faßte zu ihm hinüber und legte ihm eine Hand auf den Arm. Dann hob er das Gesicht und starrte mir mit funkelndem Haß in die Augen. Auch er sagte kein Wort.
    »Das hab ich gerne«, knurrte der Anführer der Wappner. »Ehrbare Männer aus dem Dunkel heraus überfallen und sich dann vor Angst in die Hose machen.«
    Er wies verächtlich auf die Oberschenkel des jungen Burschen, und seine Männer drängten sich vor und lachten rauh. Im Schritt seiner schmutzigen Hose breitete sich ein nasser Fleck aus.
    »Schafft mir die Kerle aus den Augen«, sagte er zu seinen Männern. »Dann bringen wir den Stadtkämmerer und den Herrn nach Hause.«

6
    I ch hatte mir genügend Feinde gemacht während meiner Tätigkeit für Bischof Peter, und es hatten der eine oder andere die Faust gegen mich geschüttelt. Niemals jedoch hatte mich jemand umbringen wollen. Der Zwischenfall am Sonntag hatte mich erschreckt; jetzt aber war mein Gleichgewicht nachhaltig gestört. Ich lag wach in meinem Bett; schlaflos, schaudernd und halb betrunken. Gleich nach Marias Tod hatte ich gedacht, nichts würde mich mehr wirklich erschüttern können; und an manchen Tagen war mir schon danach gewesen, als wollte ich den willkommen heißen, der mich von meinem Leben erlöste. Doch die Zeit hatte das ihre getan und jener Kreatur wieder Stärke gegeben, die sich mit beiden Händen an ihre Existenz klammerte und rief: Ich will leben. Ich hatte ihren Ruf schon lange nicht mehr so deutlich vernommen wie heute. Der große Schnitter hatte nicht genügend aufgepaßt, und Hanns Altdorfer und ich waren dem Schwung seiner Sichel entgangen.
    Am Dienstag morgen erwachte ich erst, als die Sonne schon hoch am Himmel stand und meine Schlafkammer in helles Licht getaucht war. Ich konnte mich nicht entsinnen, wann ich eingeschlafen war. Meine Glieder schmerzten, als hätte ich am Vortag lange und hart körperlich gearbeitet. Ich taumelte, noch halb im Schlaf befangen, in die Stube, um den

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