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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Verwalter dafür auszuscheren, daß er mich nicht geweckt hatte; er saß am Tisch, hatte Wasser, Milch, eine unangetastete Schale mit geröstetem Getreide und ein paar Scheiben weißes Brot um sich herum ausgebreitet und lächelte mich an.
    »Setzt Euch zum Essen, Herr«, sagte er und wies auf die Speisen.
    »Warum hast du mich nicht geweckt?« brummte ich.
    »Ich hatte das Gefühl, Ihr wart sehr erschöpft.«
    »Ich war auch sehr betrunken von dem Glühwein, den du mir gestern eingeflößt hast«, sagte ich.
    Er war bestürzt gewesen, als mich ein Trupp von fünf Wappnern gestern abend nach Hause gebracht hatte; und noch bestürzter zu hören, daß der Stadtkämmerer und ich Opfer eines Überfalls geworden waren. Er nahm mich in Empfang, setzte mich, der ich noch immer ab und zu am ganzen Körper erschauerte und wortlos in düsteren Gedanken versunken war, in die Stube ans Feuer, ließ einen Topf mit Wein erhitzen und gesellte sich zu mir. Während ich den gewürzten Wein mit durstigen Schlucken trank, ereiferte er sich über die Verhältnisse in der Stadt, in der die Zahl der Strauchdiebe in den Straßen von der Zahl der frei herumlaufenden Schweine und Kühe kaum mehr übertroffen wurde; ich hörte ihm kaum zu, aber ich wußte, daß es seine Art war, mich zu trösten. Obwohl der Sinn des Gesprächs zumeist unverstanden an meinen Ohren vorbeitrieb, beruhigte mich der Fluß seiner Worte. Zuletzt taumelte ich angetrunken in meine Schlafkammer, vor dem Feuer beinahe im Sitzen eingeschlummert.
    Ich hockte mich neben ihn an den Tisch und trank ein paar Schluck Wasser. Nachdem ich das getan hatte, erschien es mir möglich, etwas feste Nahrung zu mir zu nehmen, und ich schaufelte mit wachsendem Hunger den gerösteten Weizen in mich hinein. Die körperlichen Beschwerden vergingen mit dem Essen, und ich begann, mich wieder besser zu fühlen.
    »Hast du schon etwas bezüglich des Verkaufs des Flößerholzes erreicht?« fragte ich ihn mit vollem Mund.
    »Ich wollte mich heute darum kümmern.«
    »Ich lasse dir freie Hand damit«, sagte ich. »Tu, was du für nötig hältst. Du brauchst dich nicht eigens mit mir abzustimmen.«
    Wenn er erstaunt war, zeigte er es nicht.
    »Vielen Dank«, sagte er.
    Ich nickte. Es war keine großartige Aufgabe, und er wußte es ebensogut wie ich. Was zählte, war die Geste dahinter.
    »Euer Gesicht sieht schlimm aus«, befand er. »Was werdet Ihr unternehmen wegen der Kerle, die Euch angegriffen haben?«
    »Ich muß mit dem Stadtkämmerer darüber sprechen«, erwiderte ich vorsichtig. »Ich denke, daß man sie mittlerweile verhört hat.«
    »Reitet Ihr in die Stadt?«
    »Sobald ich mit dem Essen fertig bin.«
    Er stand auf.
    »Ich lasse Euer Pferd richten«, sagte er und verschwand.
    Hanns Altdorfer saß mit finsterem Gesicht in seiner Arbeitsstube im Rathaus; er begrüßte mich mit einem Kopfnicken. Im Kamin brannte ein Feuer, und es war im Vergleich zu den vergangenen Tagen relativ warm im Raum. Er trug nur ein leichtes Wams aus Leinen am Oberkörper. Um sich vor der Zugluft zu schützen, hatte er seinen Sessel mit Schaffellen verkleidet.
    »Du lieber Gott, wie sieht dein Gesicht aus!« fuhr er auf.
    »Wie geht es dir?« fragte ich.
    Er zog mühsam mit der rechten Hand sein Wams auseinander und zeigte mir einen gut handspannenlangen Schnitt, der sich von seinem Schlüsselbein nach unten zur Brust zog. Die Wundränder waren gerötet und geschwollen, der Schnitt selbst kaum verkrustet. Die Wunde glänzte von einer Heilsalbe.
    »Er hat mich doch schlimmer erwischt, als ich zuerst dachte«, sagte er. »Ich habe heute morgen einen Apotheker aufgesucht. In der Wunde war Schmutz, und die Klinge hat ein paar Stoffetzen abgerissen und tief in den Schnitt hineingedrückt. Ich mußte sie mir säubern lassen.«
    »Und jetzt...«
    »... tut mir die ganze linke Seite weh«, vollendete er mißmutig. »Wenn ich schwere Stoffe trage, scheuern sie, und die Wunde brennt wie die Hölle. Deshalb kann ich nur dies lächerliche Wams anziehen. Ich friere wie ein nasser Hund.«
    »Trink etwas Glühwein«, sagte ich. »Mein Verwalter hat mich gestern damit ertränkt.«
    Er schnaubte und wies auf einen hölzernen Becher.
    »Da«, sagte er. »Leider kann ich nicht viel genug trinken, um warm zu werden. Ich muß einen klaren Kopf behalten.«
    Ich hob mit einer bedauernden Geste die Arme. Er lächelte plötzlich und sagte: »Ich jammere und klage; dabei kann ich wohl froh sein, daß ich nicht tot bin.«
    Ich ließ mich

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