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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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morgen nicht mehr zur Arbeit erschienen. Ich bin sicher, er war an dem Überfall auf uns beteiligt. Erinnerst du dich an den jungen Kerl, der sich vor Angst in die Hosen gemacht hat?«
    »Nicht wirklich«, sagte Altdorf er und rieb sich unbewußt über die verletzte Stelle auf seiner Brust.
    »Laß uns zusammen zum Gericht gehen und mit jemandem wegen des toten Schreibers sprechen«, schlug ich vor.
    Wilhelm Trennbeck saß in der Arbeitsstube des Richters und zermarterte sich über Dutzenden von Listen den Kopf. Einer der Schreiber war bei ihm und bemühte sich zu helfen. Trennbeck sah kaum auf, als wir den Raum betraten.
    Hanns Altdorfer gab ihm das Siegel des Toten und sagte: »Wie es aussieht, ist dies ein richterliches Siegel.«
    Trennbeck musterte das Siegel, dann musterte er den Stadtkämmerer. In seinen Augen stand deutlich die Abneigung dagegen zu lesen, jetzt bei seiner Arbeit gestört zu werden. Schließlich lehnte er sich zurück, wie um sich körperlich von seinen Listen zu distanzieren, damit er klarer denken könne. Er nickte.
    »Woher habt Ihr es?« fragte er.
    »Es befand sich im Besitz eines Toten, der am Freitag aus der Isar geborgen wurde«, sagte Altdorfer, und Trennbeck und der Schreiber wechselten einen überraschten Blick. »Ist vielleicht einer Eurer Schreiber abgängig?«
    Trennbeck zuckte mit den Schultern.
    »Ich kümmere mich seit Tagen nur noch um die Unterbringung der Gäste«, meinte er entschuldigend. »Ich habe den Überblick ein wenig verloren, was hier in der Stadt vor sich geht.«
    Er wandte sich an den Schreiber und sah ihn fragend an, und dieser nickte.
    »Ernst Wechsler«, sagte er ruhig. »Der Herr Stadtrichter hat ihn beurlaubt.«
    Ich horchte auf. Trennbeck gab dem Schreiber das Siegel weiter, und dieser bückte sich, um aus einem Täschchen auf dem Boden einen ledernen Lappen hervorzuholen. Der Lappen war feucht; ein paar flache Lehmtäf eichen waren darin eingewickelt, wie man sie für Urkunden und Geschäftsabschlüsse verwendet, wenn man Papier sparen will: Man kratzt das Datum hinein, und die beiden Partner siegeln ihren Abdruck direkt in den Lehm. Es ist nichts weiter als eine Bekräftigung des Händedrucks. Der Schreiber packte das Siegel und hämmerte es in eines der Täfelchen hinein; dann musterte er den schwachen Abdruck eingehend. Er zeigte mit dem Finger auf eine Stelle unterhalb des Stadtwappens.
    »Das ist sein Siegel«, erklärte er. »Er hatte eines mit seinen Initialen darauf.«
    »Wozu soll denn das gut sein?« entfuhr es Altdorfer, aber der Schreiber zuckte nur mit den Schultern. Er hatte einen merkwürdigen Gesichtsausdruck, als hätte er gern mehr gesagt, könne sich aber nicht recht dazu entschließen.
    Trennbeck nahm das Siegel wieder an sich und studierte ebenfalls den Abdruck im feuchten Lehm. Danach heftete er den Blick auf den Stadtkämmerer.
    »Ihr habt gesagt, ein Toter hätte es bei sich gehabt?«
    »Er wurde beim Bleichwehr angeschwemmt. Die Besatzung des Kapuzinertors nahm sich seiner an und ließ ihn begraben, nachdem sich niemand gemeldet hatte.« Altdorfer schilderte meinen Anteil an der Entdeckung der Leiche und fuhr fort: »Ich nehme deshalb an, es handelt sich bei dem Toten um Euren Schreiber.«
    Trennbeck sah vage betroffen aus; er machte den Eindruck eines Menschen, der vom Tod eines anderen hört, den er zwar kannte, der ihm aber nichts bedeutet hat.
    Der Schreiber zögerte einen Augenblick und fragte dann: »Habt Ihr eine Beschreibung des Toten?«
    Altdorfer wies auf mich, und ich antwortete: »Ich will Euch lieber nicht beschreiben, wie er aussah, als sie ihn aus dem Wasser gezogen hatten. Sein Haar scheint dunkel oder schwarz gewesen zu sein, und ich glaube, er war eher hochgewachsen. Alles andere war unkenntlich.«
    Er atmete tief ein und wandte sich an Richter Trennbeck. »Es könnte Wechsler gewesen sein.«
    »Kennt Ihr Angehörige oder Freunde des Toten, die wir benachrichtigen müssen?«
    Der Schreiber sah von ihm zu uns, und ich dachte erneut, jenen merkwürdigen Gesichtsausdruck an ihm zu wahrzunehmen. Ich konnte ihn nicht deuten; sah er aus, als versuchte er, seine Befriedigung zu unterdrücken?
    »Nein«, beschied er schließlich.
    Trennbeck schwieg eine Weile. Er sah ins Leere; mir schien, daß er den Tod des Schreibers schon wieder halb aus seinen Gedanken verdrängt hatte.
    »Habt Ihr Nachricht von Richter Girigel?« fragte ich in die Stille hinein.
    Trennbeck fand in die Gegenwart zurück. Er seufzte.
    »Nein«, sagte

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