Der Tuchhändler (German Edition)
Kirchenmänner; sie waren mittelgroße, rundliche Herren mit gesunder Gesichtsfarbe und roten Apfelbäckchen, die demonstrativ beeindruckt von der Konstruktion und der Wucht des Kirchenbaus, den sie alle mindestens schon dreimal besichtigt hatten, bald hierhin, bald dorthin deuteten und die Köpfe in die Nacken legten, bis ihre Tiaren ins Wanken gerieten. Der junge Herzog Georg ging hinter ihnen. Er winkte ein paarmal, als er seinen Namen aus der Menge rufen hörte, aber die Geste schien mir halbherzig, und sein hübsches Gesicht unter den langen Locken war eher verschlossen und trotzig. Auch der Kanzler, der schweigend zwischen den aufgeputzten Höflingen herschritt und sich in seinem dunklen Mantel auffallend von den bunt gekleideten Männern abhob, machte ein finsteres Gesicht. Er sah nicht links und nicht rechts und erblickte mich nicht, obwohl er so nahe an meinem Platz vorbeiging, daß ich ihn mit einem Steinwurf hätte treffen können, ohne dabei besonders auszuholen. Ich war mir sicher, daß er, selbst wenn er aufgeblickt und mich erkannt hätte, nicht mit der Wimper gezuckt hätte. Er schien tief in Gedanken versunken und ungehalten darüber zu sein, daß man ihn mit dieser Repräsentationspflicht von seinen Aufgaben abhielt. Sein Anblick munterte mich dennoch auf; wenn er wieder zurück war, konnte ich ihn später vielleicht sprechen.
Die von Hans Stethaimer geleitete Gruppe und die Prozession des Herzogs trafen vor dem westlichen Seitenportal der Kirche zusammen; der Baumeister und seine Männer beugten das Knie, erhielten ein freundliches Winken von Herzog Ludwig und einen Segen, den die zwei beeindruckten Bischöfe mit inbrünstigen Gesten erteilten, und ohne lange zu zögern, verschwanden beide Gruppen in der Kirche. Die Flügel des Portals schlossen sich dumpf, zwei Wappner stellten sich breitbeinig davor auf, und das Schauspiel war vorüber, noch bevor es richtig begonnen hatte.
Es dauerte noch eine geraume Weile, ehe sich die Menge wieder zerstreute und ich endlich ohne Schwierigkeiten meinen unwillkommenen Ausblick aufgeben konnte. Wir waren am Montag abend überfallen worden, und am Dienstag morgen war der neue Hilfsarbeiter nicht mehr auf der Baustelle aufgetaucht. Ich dachte an das Gesicht des jungen Mannes, der zusammen mit seinem finsteren Gesellen den Eingriff der Wappner überlebt hatte. Es war vor panischer Angst verzerrt gewesen, als der Truppführer der Stadtknechte ihn anschrie. Er hatte nichts gesagt; hätte er es getan, wären die Worte sicherlich mit der Klangfärbung des Ingolstädter Dialekts herausgekommen. Ich nickte freudlos; ich war mir sicher, daß ich dem Meister Hans Stethaimers hätte sagen können, wo sich sein spurlos verschwundener Arbeiter befand.
8
A ltdorfer war in seinem Arbeitszimmer und empfing mich mit den Worten: »Schade, daß du nicht ein paar Minuten früher gekommen bist.«
Er grinste, schien aber nicht wirklich amüsiert zu sein.
»Weshalb?«
»Ich hatte gerade Besuch von einem deiner besten Freunde«, sagte er und trommelte dabei mit der Hand auf seinen Tisch. »Er spricht nur Polnisch und Latein.«
»Albert Moniwid«, stieß ich hervor.
»Derselbe.«
Ich verdrehte die Augen.
»Was wollte er?«
»Er war auf der Suche nach einem Prügelknaben. Er sagt, er hat seit einer Woche nichts mehr von dir gehört, weiß nicht, wie er dich erreichen kann, weiß nicht, was du schon alles herausgefunden hast, weiß nicht, ob er nicht am besten gleich zu seinem König rennen und alles erzählen soll ... «
»... und weiß nicht, wem er als erstem die Ohren abreißen möchte«, vollendete ich. Hanns Altdorfer lächelte dünn.
»Peter«, sagte er besorgt und beugte sich nach vorne, »ich will dir keinen Ratschlag geben; aber bedenke bitte: Dieser Mann hat uns in der Hand.«
Ich seufzte.
»Was hätte ich ihm denn mitteilen sollen? Wir wissen so gut wie gar nichts. Warum, denkst du, scheue ich vor einer Begegnung mit Moniwid zurück? Wenn ich das auf den Tisch lege, was wir uns zusammengereimt haben, lacht er sich halbtot und läßt die Hochzeit platzen wie eine zu fest aufgepumpte Schweinsblase.«
Der Stadtkämmerer schloß die Augen. Er wirkte erschöpfter denn je.
»Was war auf der Baustelle?« fragte er nach einer Weile.
Ich winkte ab.
»Daniel hatte mir erzählt, auf dem Bau sei ein neuer Hilfsarbeiter, der versuche, die Leute aufzuwiegeln, und zudem aus Ingolstadt stamme. Ich wollte mir den Mann einmal ansehen.«
»Und?«
»Er ist seit Dienstag
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