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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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»Ihr glaubt mir nicht, oder?«
    Er sagte: »Wir haben vereinbart, daß ich es Euch sage, nachdem Euer famoser Arzt mich kuriert hat.«
    »Ihr braucht es mir nicht mehr zu sagen«, erklärte ich unwillig. »Euer Gesicht spricht Bände.«
    Er antwortete nichts, und ich hatte auch nichts mehr zu sagen. Nach einer Weile trat ich ans Fenster und sah auf den Innenhof hinaus, in dem noch immer die verlassene Gestalt der Stechpuppe hing. Von hier oben konnte ich deutlich die Spuren sehen, die die Pferdehufe um die Puppe herum in den Boden gerissen hatten, ein langgestreckter Bogen wie ein umgekehrtes U. Regenwasser schwamm in den größeren Trittspuren und spiegelte den grauen Himmel lustlos wider. Ich spürte, wie mich Müdigkeit überkam; ich wünschte mir, ich könnte den Polen verlassen und zu meinem Hof zurückkehren, um Janas Gesicht zu sehen. Ich dachte daran, mit welch überraschender Gleichmütigkeit mein Gesinde reagiert hatte, als ich ihnen Jana an diesem Morgen vorgestellt und erklärt hatte, sie würde so lange auf dem Hof bleiben, wie sie selbst es wünschte. Nur mein Verwalter war verwirrt, aber wie immer versuchte er es zu verbergen und sich meinen Sinnenswandlungen anzupassen. Ich erinnerte mich, wie sie ihn gebeten hatte, ihr den ganzen Hof zu zeigen, ganz so, als wäre er dazu besser in der Lage als ich. Unwillkürlich schmunzelte ich wieder über sein geschmeicheltes Gesicht, als ich zwei Gestalten sah, die sich durch den Eingang bewegten und den Hof überquerten. Ich preßte das Gesicht an das bucklige Glas der Scheibe. Der eine war der polnische Bote. Der andere war Sebastian Löw.
    »Kommt jemand?« fragte Moniwid. »Kommt der Arzt?«
    »Ich weiß nicht«, murmelte ich und fühlte eine leichte Beklemmung. »Der Bote hat seinen Vater mitgebracht.«
    »Seinen Vater? Was soll ich mit seinem Vater, bei allen Heiligen? Ihm das Zipperlein aus den Beinen prügeln?«
    »Seid still«, sagte ich und versuchte, das Gesicht des alten Löw zu erkennen. Er hielt den Kopf gesenkt, und das Glas war zu schlecht, als daß ich mehr als einen verzerrten Umriß seiner Gestalt wahrgenommen hätte. Dennoch wuchs die Beklemmung in mir, und als sie aus meinen Sichtfeld gerieten und durch die Eingangstür traten, hatte ich ein flaues Gefühl in meinem Magen. Natürlich konnte es sein, daß Löw nur mitkam, um seinen Sohn zu entschuldigen und nachzusehen, welch lukrativen Auftrag ich für ihn aufgetan hatte, aber ich glaubte nicht daran. Was ich von seiner Gestalt gesehen hatte, strahlte Angst aus. »Ich fürchte, es ist etwas Unvorhergesehenes geschehen«, sagte ich rauh.
    Sebastian Löw kam gleichzeitig mit dem Boten zur Tür herein. Noch während er sich hastig im Raum umsah, wurde mir klar, daß mich mein schlechtes Gefühl nicht getäuscht hatte. Sein Wams war unordentlich zusammengerafft und seine spärlichen Haare zerrauft, und die Angst trat mit ihm in den Raum. Mir wurde kalt.
    Er erblickte mich, und seine Augen traten hervor. Er sprang auf mich zu, ohne Moniwid auch nur anzusehen.
    »Herr Bernward«, keuchte er. »Herr Bernward.«
    Er neigte sich vornüber. Ich erschrak und dachte, er würde vor mir zusammenbrechen, und instinktiv streckte ich meine Arme aus, aber er packte mich nur an den Schultern und starrte mir mit weiten Augen ins Gesicht. Seine runden Wangen waren bleich, und ich sah mit Entsetzen, wie blau seine Lippen waren. In seinen Mundwinkeln klebte angetrockneter Speichel wie Schimmel.
    »Um Himmels willen«, rief ich. »Was ist denn passiert, Herr Löw?«
    »Oh, ich danke Gott, daß Ihr den Mann geschickt habt, Herr Bernward«, stammelte er. »Ich danke Gott; ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich bin so froh, Euch zu sehen.«
    »Was ist denn los, zum Teufel?« bellte Moniwid von seinem Bett her. Ich faßte nach oben und löste Löws Hände von meinen Schultern. Er umklammerte meine Handgelenke mit seinen weichen Fingern. Ich spürte, wie er zitterte.
    »Daniel«, brachte er hervor. Ich erstarrte.
    »Daniel?« rief ich und befreite mich aus seinem Griff. »Mein Sohn? Was ist mit ihm?«
    Er glotzte verständnislos. Dann veränderte sich der Blick in seinen Augen, als ob ihm etwas klarwürde, und ich sah, wie sich sein Brustkorb einmal von einem tiefen Atemzug hob und senkte. Es war eine ungeheure Anstrengung.
    »Euer Sohn?« fragte er. »Ihr habt einen Sohn namens Daniel?«
    »Ja, um Gottes willen!«
    »Der Name meines Sohnes lautet ebenfalls Daniel«, erklärte er beinahe würdevoll, und jetzt war

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