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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ich. Wenn ich einen unhörbaren Paukenschlag erwartet hatte, wurde ich enttäuscht. Er öffnete die Augen und sah mir ins Gesicht.
    »Warum nicht schon heute?« erkundigte er sich nach einer kleinen Pause.
    »Ich muß zuvor noch mit jemandem sprechen, der den Mörder kennt«, erklärte ich.
    »Und was wollt Ihr dann von mir?«
    »Ich möchte, daß Ihr mich dazu nach Burghausen begleitet«, sagte ich.
    Er biß die Zähne zusammen und funkelte aus seiner jammervollen Position zu mir herauf.
    »Das ist unmöglich«, sagte er dann.
    »Weshalb?«
    »Ich bin verletzt.«
    »Ich dachte, es sei nichts Ernstes.«
    Ich konnte ihm ansehen, wie er wütend wurde. Es ging mit der für ihn üblichen Geschwindigkeit; auf seinen Wangen brannten plötzlich zwei rote Flecken.
    »Ist es auch nicht!« bellte er. »Ich kann mich nur nicht bewegen!«
    »Was ist Euch denn zugestoßen?«
    Er drehte den Kopf zur Seite, als ob er sich seiner Schwäche schäme. »Meine Schulter ist ausgerenkt«, murmelte er.
    Ich konnte nicht behaupten, daß ich ihn bedauerte; dazu mochte ich ihn zuwenig. Aber ich wußte, welche Schmerzen er ausstand. Ich erinnerte mich daran, wie sehr er sich danach verzehrte, gegen die bayerischen Ritter im Turnier anzutreten, und ich wußte, daß zu seinen Schmerzen die Furcht kam, bis dahin nicht zu genesen. Trat er aber nicht an, würde es niemanden interessieren, wie der Grund dafür lautete – dafür hatte er überall seinen Mund zu weit aufgerissen. Man würde ihn ganz einfach der Feigheit zeihen.
    »Ihr müßt sie wieder einrenken lassen«, sagte ich, ohne nachzudenken. Er hob den Blick wieder und sah mich starr an.
    »Das ist bereits geschehen«, sagte er kaum hörbar.
    »Und?«
    »Die Schmerzen sind nicht besser geworden.«
    »Was sagt Euer Arzt dazu?«
    Er lachte, aber er hörte gleich wieder damit auf und faßte erneut an seine Schulter.
    »In dieser Delegation findet Ihr die kräftigsten Ritter des polnischen Königreichs, aber keinen einzigen Arzt«, sagte er.
    »Wer hat Euch dann die Schulter gerichtet?«
    »Mein Knappe.«
    »Lieber Himmel«, sagte ich unwillkürlich. »Schickt doch nach einem der Ärzte des Herzogs.«
    »Damit überall unter den Bayern bekannt wird, daß ich mich verletzt habe? Habt Ihr sonst noch einen guten Einfall, Ihr Tölpel?«
    Ich spürte, wie sich auch in mir die Wut wieder regte. Ich wollte entgegnen: Nun sagt mir einmal, wer von uns beiden im Bett liegt, und dann zeigt mir, wer der Tölpel ist, aber ich beherrschte mich.
    »Wie lange liegt Ihr da schon?« fragte ich ihn.
    »Seit gestern abend.«
    »Ich nehme an, Ihr habt eine schlaflose Nacht hinter Euch?«
    Er nickte. Plötzlich sagte er, und es klang wie eine resignierte Klage: »Ihr seid daran schuld, Kaufmann. Ich hörte nichts von Euch, und so bin ich auf die Suche nach Euch gegangen; als ich schließlich von Eurem Freund, dem Stadtkämmerer, ohne etwas erreicht zu haben, zurückkam, war ich so wütend, daß ich beim Rennen nicht genügend aufpaßte. Meine Lanze verfing sich in der Rüstung meines Partners, ich bekam die Hand nicht mehr aus dem Trichter, und so renkte ich mir die Schulter aus.«
    »Glaubt Ihr, Ihr habt Euch etwas gebrochen?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Ich rief betroffen: »Moniwid, ich brauche Euch. Ich stehe kurz davor, den Fall abzuschließen. Ich brauche jetzt Eure Hilfe.«
    »Ich wußte doch, daß Ihr nicht damit fertig würdet«, sagte er in einem schwachen Abglanz seines bissigen Spotts. Ich reagierte nicht, und er fügte hinzu: »Auf mich müßt Ihr verzichten. Es ist ja Euer Fall, nicht meiner.«
    Ich blickte auf ihn hinunter und dachte verzweifelt: Ich kann die Gefangenen nicht alleine zurückbringen. Ich brauche dich, und wenn du mir noch so zuwider bist. Aber was soll ich tun? Deine Schulter heilen? Einen Arzt besorgen?
    – Einen Arzt besorgen .
    »Ich kann Euch helfen«, sagte ich plötzlich wie aus einer Eingebung heraus.
    »Wie wollt Ihr das anstellen?«
    »Ich lasse einen Arzt für Euch holen ...«
    »Das kommt nicht in Frage«, knurrte er. »Habt Ihr mir vorhin nicht zugehört?«
    »Es ist kein Arzt aus dem Hofstaat des Herzogs. Es ist der Sohn eines Mannes in der Stadt, den ich kenne. Er ist nur zu Besuch hier; er studiert Medizin in Innsbruck.«
    »Ein Student...«, begann er empört, aber ich schnitt ihm das Wort ab.
    »Allemal besser als Euer Knappe, meint Ihr nicht?«
    »Ich will ihn nicht«, brummte er wie ein kleines Kind.
    Ich öffnete den Mund, aber er ließ mich nicht sprechen.

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