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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Pfützen patschen; ein rundlicher, kleiner Mann, der wie ein Junge nach Hause lief und seinem Gott voller Inbrunst dafür dankte, daß er ihm seine Gnade gezeigt hatte. Ich zog die Nase hoch und wandte mich zu Reckel um.
    »Ihr wolltet ihm die Angst nehmen«, sagte er.
    »Ich wollte ihn vor allen Dingen loswerden«, erwiderte ich. Reckel lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Ihr seid ein besserer Christ, als Ihr selber denkt«, sagte er.
    »Sagt das nicht«, widersprach ich. »Ihr wißt noch nicht, was ich vorhabe.«
    »Und was ist das?«
    »Richter Girigel wird tatsächlich einen Brief erhalten«, sagte ich. »Aber nicht ich werde ihn schreiben. Ihr werdet es tun.«
    Er starrte mich an. Er war brillant; er durchschaute meinen Plan sofort.
    »Ich soll mich ihm offenbaren und ihn damit nach Landshut locken«, sagte er. »Und ihn damit erpressen, alles ans Licht zu bringen, wenn er seinen Gefangenen etwas antut: seine Verstrickung in den Tod Ebrans und vor allem den Mord an der Polin.«
    »So ist es«, sagte ich.
    Er dachte eine lange Weile darüber nach. Ich sah ihm zu, während sein Blick in die Ferne gerichtet war und seine rechte Hand geistesabwesend an seinem Ohr zupfte. Ich dachte, ich könne ermessen, wie schwer es ihm fallen mußte, sich zu dieser Entscheidung durchzuringen. Alles, was er in seinem Leben für richtig erachtet hatte, wurde dadurch auf den Kopf gestellt: Er offenbarte sein Wissen, seine Herkunft, seine Person, Dinge, deren Geheimhaltung ihm sechzig Jahre lang das Leben gerettet hatten. Schließlich kehrte er in die Gegenwart zurück und sah mir ins Gesicht.
    »Ich sehe keine andere Möglichkeit«, sagte er. Ich nickte.
    »Es rettet Euren Freunden und Daniel Löw das Leben«, erwiderte ich.
    »Gehen wir zurück zum Haus von Wolfgang Leutgeb«, sagte er. »Wir wollen keine Zeit verlieren.«
    »Nein«, widersprach ich. »Gehen wir wieder nach oben zu Albert Moniwid. Er muß den Brief sehen und lesen. Wenn der Richter wirklich hierherkommt und damit seine Schuld eingesteht, muß er davon überzeugt werden, nicht wir. Er muß jetzt vom Anfang bis zum Ende in alles mit einbezogen werden.«
    »Der Gedanke gefällt Euch nicht.«
    »Nein«, erwiderte ich. »Ganz und gar nicht. Moniwid ist ein aufgeblasener Narr, dem es einen teuflischen Spaß macht, uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen.«
    Reckel zuckte mit den Schultern.
    »Außerdem verbirgt er etwas«, sagte er und ging gelassen die Treppe hinauf.
    Es war keine leichte Aufgabe, Moniwid davon zu überzeugen, daß der Brief in seiner Gegenwart geschrieben, von ihm gelesen und auch vor seinen Augen gesiegelt werden mußte. Es gelang mir schließlich, ihn mit Hilfe der schmerzstillenden Medizin Sebastian Löws zu überreden: Ich schlug ihm einen weiteren Handel zwischen uns vor, seine Aufmerksamkeit gegen einen tiefen Schluck aus dem Fläschchen, und da ihm diese Schliche mittlerweile bekannt vorkam, gestattete er sich sogar ein halb amüsiertes Grinsen, bevor er einwilligte. Er wies uns darauf hin, daß dies nicht bedeute, daß er unseren Auftritt nicht weiterhin für eine Posse halte; er wolle nur sehen, wie weit wir damit gehen würden.
    Seine Sicherheit verflog, als Reckel sich ohne Umschweife setzte und mit fliegendem Federkiel zu schreiben begann. Er zog die Stirn kraus, während er Reckeis wenige Zeilen nach dem Trocknen der Tinte überflog, und als er zuletzt aufsah, schien er nun keineswegs mehr davon überzeugt zu sein, daß wir ihn zum Narren halten wollten. Ich siegelte das Schreiben mit einem anonymen Klecks Siegellack, und er wälzte sich aus dem Bett – das Mittel des Apothekers schien zu wirken – und sah mir dabei sogar mit einer gewissen Spannung zu. Ich beobachtete ihn genau, nachdem Reckel seine Bemerkung getan hatte, Moniwid würde uns noch etwas verschweigen, aber ich konnte keinen Hinweis darauf feststellen. Vielleicht hatte Reckel sich getäuscht, und die barsche Art des Polen hatte ihn zu einem Trugschluß verleitet. Moniwid beugte sich über meine Schulter, während ich den heißen Lack auf das Pergament tropfen ließ, und war für ein paar Momente beeindruckt genug, daß er nichts mehr sagte. Es sollte jedoch nicht lange dauern, bis er wieder Oberwasser bekam.
    »Wie wollt Ihr die Botschaft so schnell nach Burghausen bringen?« fragte Reckel. Ich hatte mir darüber schon meine Gedanken gemacht.
    »So, wie er all seine anderen Botschaften hin- und hergebracht hat: mit einer Brieftaube.«
    Reckel sah mich betroffen

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