Der Tuchhändler (German Edition)
Messer geliefert. Es ist ihnen gelungen, dies trotz der Marter für sich zu behalten.« Ich dachte an den jungen Mann, der mit durchnäßter Hose an der Mauer gestanden war und zitternd von einem zum anderen geblickt hatte. »Ihr könnt stolz auf solche Freunde sein«, sagte ich heiser. »Sie haben zu Euch gehalten, obwohl Ihr ihnen noch nicht einmal alles erzählt hattet.«
Reckel nickte nur. Ich faßte in meine Tasche und holte das Siegel des toten Schreibers heraus. Ich hielt es in die Höhe.
»Darum seid Ihr nicht auf mein Angebot eingegangen, den gefälschten Erlaubnisschein zu benützen«, sagte ich.
Er nickte.
»Er hätte Euch nichts genützt. Allenfalls hätte man Euch auch noch ergriffen.«
Ich schüttelte den Kopf, aber ich war mir selbst nicht mehr sicher.
»Der Richter hat Angst«, sagte Reckel. »Er weiß, daß ihm jemand auf den Fersen ist, aber er weiß nicht wer, und er weiß nicht weshalb.« Er schüttelte sich und senkte den Kopf. »Er wird versuchen, es nun aus denjenigen meiner Freunde herauszuholen, die er in Leutgebs Haus verhaftet hat.«
»Aus diesem Grund hat er sich auch um ihren Abtransport bemüht, ohne sich mit den Stadtbehörden abzustimmen«, erklärte ich. »Der Anführer der Wappner auf der Burg wiederum hatte keine Veranlassung, an seinen Anordnungen etwas merkwürdig zu finden oder sie dem Stadtkämmerer mitzuteilen. Und Daniel Löw«, fuhr ich betroffen fort. »Er hat die Schurken beobachtet, die den Flößer umgebracht haben. Auf irgendeine Art und Weise muß er sich dabei verraten haben; vielleicht hat er etwas verloren, als er von seinem Ausguck auf der Stadtmauer sprang, oder er hat sich zu ungeschickt angestellt und sich blicken lassen. Sie verfolgten ihn, um sich über seine Ziele klar zu werden; als ihnen dies nicht gelang, fingen sie ihn nach seinem Besuch bei mir ab und verschleppten ihn.«
»Dann ist er ebenso in Burghausen wie meine Männer«, sagte Reckel und sah mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an. Ich brauchte einen Moment, bis ich ihn deuten konnte. Er besagte: Jetzt ziehen wir beide an einem Strick.
Moniwid mischte sich wieder ein.
»Das ist alles barer Unsinn«, sagte er unwirsch. »Ich habe jetzt die Nase voll von Euch, Kaufmann. Nehmt Euren Freund und verschwindet. Vielleicht könnt Ihr Euch bis zum Eintreffen des Hochzeitszuges noch eine bessere Geschichte ausdenken. Ihr wißt ja, was sonst passiert.«
Ich wollte ihn schon an sein Versprechen, uns zu helfen, erinnern, bis mir dämmerte, daß seine Hilfe nicht mehr vonnöten war. Wir hätten Daniel Löw nicht finden können, und wenn wir tausend Mann durch die Wälder und Sümpfe rund um Landshut geschickt hätten. Ich ließ die Hände sinken und spürte, wie plötzlich ein breites Grinsen mein Gesicht verzog.
»Wie Ihr wünscht«, sagte ich, und er sah mich mißtrauisch an, ob ich etwas Neues ausheckte oder auch nur eine bösartige Bemerkung machen würde. Aber ich drehte mich nur zu Reckel um und nickte ihm zu, und er erhob sich langsam. Als er stand und mit einem entschlossenen Ruck den Tisch beiseite schob, wurde mir vollends klar, daß wir nun Verbündete waren. Ich hätte darüber beunruhigt sein sollen; statt dessen fühlte ich mich mit einemmal so sicher wie seit Beginn dieser Affäre nicht mehr.
Reckel verlor kein Wort über Moniwid; er mochte sich über ihn und seine Halsstarrigkeit wundern, aber im Grunde war der Pole für ihn bedeutungslos. Wir verließen das Zimmer und warteten am Fuß der Treppe auf Sebastian Löws Rückkehr. Von der offenen Tür drang das Rauschen des Regens herein. Wir sprachen nicht. Reckel sah mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit hinaus und zog schnüffelnd die Nase hoch. Auch ich roch es; den schweren, erdigen Geruch aus den Mooren vor der Stadtmauer, der durch den Regen aufstieg. Das Wetter würde umschlagen.
Zuletzt drängte sich doch etwas auf meine Zunge; ich fragte: »Warum hat er sie getötet?«
Reckel wandte sich mit ehrlichem Erstaunen zu mir um.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte er. »Ich dachte, Ihr wüßtet es.«
»Wenn ich gewußt hätte, warum die Polin umgebracht wurde, wäre ich auch früher oder später auf den Mörder gekommen«, sagte ich.
Reckel machte eine gleichgültige Geste.
»Könnt Ihr Euch vorstellen, daß mich diese Frage nicht im geringsten interessiert?
Ich räusperte mich. Wenn ich gedacht hatte, Reckel könne auch dieses Rätsel aufklären, hatte er mich jedenfalls enttäuscht. Ich dachte an Daniel Löw
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