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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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begleiten würde, und er willigte mit saurer Miene ein.
    Ich konnte es kaum erwarten, bis es Abend wurde.
    Der Tag zog sich unendlich hin. Ich brachte Jana zurück zur Residenz, damit sie ihre Sachen zusammenpacken und zu mir hinausschaffen konnte, und begab mich danach wieder in die Stadt hinein. Ich hielt es auch in ihrer Gegenwart nicht auf meinem Hof aus, und sie besaß genug Einfühlungsvermögen, um mich ohne lange Widerrede gehen zu lassen. Es war Sonntag, und ich wanderte ruhelos im feinen Nieselregen in der Stadt umher und roch den Duft nach gebratenem Fleisch, der sich durch die Straßen zog. Ich mied das Rathaus mit dem Stadtkämmerer darin; ich war gespannt wie eine Harfensaite und nicht in der Lage, Altdorfer zu schildern, was ich getan und erfahren hatte und was ich noch zu tun beabsichtigte. Ich wußte, daß er in seinem Arbeitszimmer auf und ab schreiten würde und in den Pausen zwischen seinen Tätigkeiten für die Hochzeit an mich denken und sich fragen würde, warum in aller Welt ich mich nicht bei ihm meldete. Ich hielt es für möglich, daß er sich sogar Sorgen machte, ob mir nicht zuletzt doch etwas zugestoßen war, doch ich konnte mich nicht überwinden, mit ihm zu sprechen. Der letzte Teil dieses Falles war meine Aufgabe mehr als alles andere, und ich konnte nicht zu ihm gehen. Ich strich zwischen den Häusern umher wie ein hungriger Kater, fand mich mit einemmal vor der Tür des Leutgebschen Hauses wieder und ging fort, ohne daran zu klopfen. Ich schaute eine Weile den polnischen Rittern bei ihren Übungen zu, die sie lustlos im Regen vollführten, und ich blickte zu dem offenen Fenster des Arbeitszimmers hoch, von dem aus Moniwid ihre Bemühungen verfolgte. Er konnte seinen rechten Arm bereits wieder ein wenig besser bewegen. Offenbar wirkte das Schmerzmittel noch immer, oder er hatte sich an den Schmerz gewöhnt. Als er mich vor dem offenen Tor stehen und hereinspähen sah, winkte er mir mit der linken Hand zu, und ich war so überrascht über diese Geste der Vertrautheit, daß ich fast zu hoffen begann, Daniel Löw möge ihn nach seiner glücklichen Rückkehr tatsächlich kurieren.
    Wenn er noch lebt, dachte ich dann, und noch alle seine Gliedmaßen funktionieren, und der Gedanke trieb mich wieder von der Stelle, zurück in die Stadt. Eine Weile stand ich neben der Baustelle, aber es wurde mir merkwürdig, wenn ich daran dachte, was sich heute nacht hier abspielen würde, und ich verließ auch diesen Posten wieder. Ich fand einen öffentlichen Abtritt und erleichterte meine brennende Blase, doch ein paar Minuten danach hatte ich das Gefühl, ich müsse mich schon wieder erleichtern. Ich seufzte und setzte mich in eine Wirtschaft, wo ich einen Becher schales Bier trank, aber auch dort hielt ich es nicht lange aus. Ich trieb mich umher und verfluchte die Langsamkeit der Zeit, und als es endlich doch dämmerte und die Dunkelheit den halbfertigen Dom einhüllte, war ich geradezu überrascht und körperlich so erschöpft, als hätte ich den ganzen Tag ein Feld umgegraben.
    Albert Moniwid begleitete mich schweigsam, nachdem ich ihn abgeholt hatte. Er hatte sich mühsam ein Schwert umgeschnallt und die Scheide in die Reichweite seiner linken Hand gerückt; ich sah es an, und er bemerkte meinen Blick, aber er sagte nichts dazu. Vielleicht fühlte er sich wegen seiner Verletzung ohne Waffen hilflos. Wir betraten die nachtdunkle Kirche, ohne eine Fackel zu entzünden. Die Arbeiter hatten einen breiten Gang von einem der Seitenportale zum Chorhaus hin freigeräumt und selbst den Boden so weit gesäubert, daß man sich darauf bewegen konnte, ohne über irgend etwas zu stürzen. Links und rechts davon, zwischen und unter den hohen Säulen, lagen die Steine und Bretter in halbwegs ordentlichen Haufen. Altdorfers Ermahnungen hatten Wirkung gezeigt.
    Ich rief leise Reckeis Namen, und er meldete sich aus der Nähe des Altarraumes. Dieser öffnete sich in einem weiten Viertelkreis in das Chorhaus hinein; ein paar Stufen führten auf die Erhöhung hinauf, wo Stethaimer noch den Tabernakel aufstellen lassen mußte. Reckel saß auf den Stufen und schaute uns entgegen.
    »Ich möchte, daß Ihr Euch verborgen haltet«, sagte er zur Begrüßung.
    »Wieso?« zischte Moniwid.
    Reckel blickte mich an. Ich sah undeutlich, daß er eine Kerze in einer abgedunkelten Laterne neben sich stehen hatte. Der Lichtschein des brennenden Dochtes zeichnete sanft die Umrisse der kleinen Belüftungsöffnungen nach, die sich in den

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