Der Tuchhändler (German Edition)
Sein Name war Ernst Wechsler; er war einer der richterlichen Schreiber hier in Landshut.«
Ich sah Moniwids Gesicht zucken, aber er kam nie zu Wort. Reckel fuhr auf.
»Was redet Ihr da für einen Unsinn?« rief er kopfschüttelnd. »Der Mann, von dem ich spreche, ist der Stadtoberrichter. Er heißt Meinrad Girigel.«
Was tut man, wenn man etwas erfährt, bei dem gleichzeitig zwei Stimmen in einem aufschreien; die eine ruft: Mein Gott, ja, das ist es!, während die andere schreit: Das kann nicht sein? Ich kann es nicht beschreiben; ich kann nicht einmal sagen, daß ich es einfach nicht glaubte, denn ich glaubte es sofort und vollständig. Ich könnte sagen, ich war überrascht, aber nicht einmal das trifft zu; als ich Richter Girigels Namen hörte, dachte ich nur: Genau. Gleichzeitig aber vollführte mein Körper das ganze Ritual eines Menschen, der völlig aus dem Gleichgewicht geworfen ist; ich keuchte und sprang in die Höhe und rief: »Ihr seid verrückt!«
»Völlig verrückt«, brummte Moniwid in einem Moment kaum glaublicher Einigkeit.
Reckel zuckte mit den Schultern.
»Was für einen Grund sollte ich haben, Euch eine derartige Geschichte zu erzählen, wenn sie nicht wahr wäre«, sagte er.
»Weil er Euch damit beauftragt hat!« rief Moniwid und zeigte mit seinem gesunden Arm empört auf mich. »Wie ich es mir dachte: Ihr seid nur ein Komödiant, den dieser Kaufmann von der Straße geholt hat, um mich zu betrügen.«
»Herr Moniwid«, sagte ich müde. »Wenn das der Fall wäre, würde ich ihm dann aufgetragen haben, eine Geschichte zu erzählen, die so verrückt klingt, daß niemand sie glauben mag?«
Moniwid setzte an und schloß den Mund im selben Augenblick wieder. Er funkelte wütend zu mir herüber, aber im Moment wußte er keine Antwort. Ich wandte mich von ihm ab und sah zu Reckel, der in seiner entspannten Haltung auf dem Tisch saß. Ich blickte in seine Augen, die er ruhig und offen auf mich gerichtet hatte. Es war, als ob sich alles mit einem Ruck zusammengefügt hätte. Ich hörte mir selbst zu, während ich wie im Traum sprach: »Die Männer, die uns überfallen haben, wurden unter der Folter gesprächig. Weil Ihr sie nicht in alles eingeweiht habt, konnten sie nur Euren letzten Aufenthaltsort verraten: Euer altes Haus. Girigel ließ es bewachen; da sich dafür kein offizieller Grund finden ließ, nehme ich an, er heuerte irgendwelche Strolche an, die er für ihre Dienste bezahlte. Einer dieser Kerle ist dem alten Flößer aufgefallen, nicht der junge Löw, wie ich zuerst dachte. Die Strolche fanden heraus, daß Ihr im Hause der Leutgebs Unterschlupf gefunden hattet. Sie gaben dem Richter Bescheid; wahrscheinlich mit einer Brieftaube. Dieser beauftragte sie, weiterhin in der Nähe zu bleiben.« Ich schüttelte den Kopf und sagte grimmig: »Der alte Flößer hielt sie für Spitzel der Familie eines jungen Mannes, mit dem sich mein erdichtetes Mündel traf; das war die Ausrede, mit der ich ihn zur Bewachung Eures alten Hauses beauftragt hatte. Er wollte zwischen mir und dem Liebhaber meines Mündels vermitteln – er hatte es mir selbst vorgeschlagen, aber ich verbot es ihm. Vermutlich setzte er sich darüber hinweg in der Hoffnung, auf eigene Faust Frieden zwischen einem alten verbohrten Kerl und einem verliebten jungen Mann zu stiften und einer zarten Liebe zum Leben zu verhelfen. Er ging auf die Kerle zu und eröffnete ihnen, was ich ihm eingeblasen hatte. Sie jedoch nahmen an, er gehöre zu Euch und wolle sie mit einer plumpen Geschichte einwickeln; und da sie nicht wußten, was sie mit ihm anstellen sollten, und fürchteten, er könne ihre Pläne zunichte machen, beseitigten sie ihn. Sie informierten den Richter, und diesem blieb nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich loszuschlagen und Euch zu verhaften.«
»Er wußte nichts von mir«, unterbrach Reckel. »Die Wappner haben mich nicht gesucht; sie haben lediglich alle Männer aufgegriffen, die sie in Leutgebs Haus finden konnten und die nicht zu Leutgebs Dienerschaft gehörten. Konrad und ich konnten ihnen mit Mühe entkommen. Wir versteckten uns in dem getarnten Durchgang entlang der Stadtmauer. Sie haben sich noch nicht einmal um meine Tochter bemüht.«
Ich schnaubte, aber es war nicht aus Verachtung.
»Eure Männer, die mich und den Stadtkämmerer überfielen«, sagte ich. »Sie haben dem Richter verraten, was er aus ihnen herauspreßte; aber es war nur die halbe Wahrheit. Sie haben weder Euch noch Eure Tochter ans
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