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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sein Vorleben und seine Ängste und Freuden Bescheid gewußt. Ich seufzte im stillen; mir war mehr als nur mein privates Glück aus den Händen geglitten.
    »Guten Morgen, Herr Bernward«, stammelten die beiden im Chor. Ich nickte ihnen zu und erwiderte den Gruß; den, dessen Namen ich wußte, fragte ich: »Wie geht es dir, Egid?«
    Er sagte überrascht: »Gut, Herr Bernward.«
    »Das freut mich.« Ich wandte mich an seinen Gefährten. »Wie ist dein Name?«
    »Kaspar, Herr Bernward.«
    Ich wandte mich an den Verwalter: »Hast du mit ihnen gesprochen?«
    »Nein, ich wollte es Euch überlassen.«
    »Gut. Hört zu, Egid und Kaspar. Ihr werdet mich in die Stadt begleiten, zur Baustelle des Martinsdoms. Was wir dort finden, werdet ihr in eine Decke wickeln, die wir mitnehmen, und wieder hierher zurück transportieren. Ihr werdet während des Transports und auch hinterher kein Wort verlieren über das, was wir gesehen haben. Habt ihr mich verstanden?«
    Die beiden wechselten einen überraschten Blick, aber sie nickten.
    »Danach«, fuhr ich fort, »habe ich einen weiteren Auftrag für Euch. Habt ihr Frauen oder Familie?«
    Sie schüttelten beide die Köpfe; Kaspar etwas zögernder als Egid. Er war um einige Jahre jünger als Egid, der schon zu ergrauen begann, und ich nahm an, daß er ein Liebchen unter dem Gesinde hatte. Um so besser, wenn er ihr eine Weile lang nichts erzählen konnte.
    »Dann wird es euch nichts ausmachen, wenn euch dieser Auftrag für einige Wochen von hier fortführt. Der Verwalter wird es euch erklären, wenn wir zurück sind. Macht ihr eure Sache auch dabei gut, werde ich nicht kleinlich sein. Habt ihr auch das verstanden?«
    Sie nickten wieder. Egid fragte: »Mit Verlaub, Herr: Was sollen wir für Euch transportieren? Ich meine, wegen der Größe der Decke. Und sollen wir einen Maulesel mitnehmen?«
    »Kein Maulesel«, sagte ich. »Und es muß eine große Decke sein.« Ich zögerte einen Moment, aber es gab keine Möglichkeit, der Wahrheit auszuweichen.
    »Wir holen die Leiche einer jungen Frau«, sagte ich.
    Für einen Moment herrschte absolute Stille im Raum. Ich sah alles wie durch eines jener famosen Gläser, in denen eine Ameise plötzlich so groß erscheint wie ein Pferd: Ihre Gesichter wechselten von Befangenheit zu Bestürzung, die Kiefer der beiden sanken herab, und ihre Augen weiteten sich.
    »Setzt euch hierher«, sagte ich barsch. Sie gehorchten mit schlotternden Gliedern. Ich fühlte einen Trommelwirbel im Magen, als ich betont ruppig sagte: »Sie war eine Dirne aus der Stadt, und ich bin zu ihr gegangen. Gestern nacht wurde sie umgebracht, und jemand, der wußte, daß ich sie kannte, hat mich benachrichtigt. Sie hat keine Familie, und ich will vermeiden, daß sie in einem Armengrab verscharrt wird; denn ich mochte sie, und ihr Tod tut mir leid.«
    Sie starrten mich an. Ich sagte: »Deshalb will ich auch, daß niemand etwas davon erfährt. Habt ihr dies ebenfalls verstanden?«
    Der ältere der beiden, Egid, nickte nach kurzem Zögern entschlossen. Der jüngere sah mich noch immer mit weitaufgerissenen Augen an. Er war zu unerfahren, um wie Egid seine Gedanken hinter seinem Gesicht zu verbergen. Ich konnte in seinen Zügen lesen wie in einem Buch.
    »Ich habe sie nicht getötet, mein Freund«, sagte ich ruhig zu ihm. »Ich weiß auch nicht, wer es letztlich getan hat. Ich bin jedoch sicher, er wird der Gerechtigkeit nicht entgehen.« Ich sah sie wieder beide an. »Ich will euch nicht dazu benutzen, ein Verbrechen zu vertuschen. Der Stadtkämmerer ist unterrichtet, und er wird die Sache untersuchen, ohne daß mein Name genannt wird.«
    Ich wußte nicht, ob ich sie überzeugt hatte. Glaubten sie mir nicht, konnten sie mich – nach ihrer Rückkehr – getrost dem Richter anzeigen. Von seiner Seite hatte ich nichts zu befürchten. Ich beendete das Gespräch, und sie rafften sich auf und marschierten schweigend zur Tür hinaus. Der Verwalter blieb im Raum, und endlich sah ich ihm ins Gesicht. Sein Blick war voller Bedauern.
    »Ich wünsche Euch viel Glück, Herr Bern ward«, sagte er. »Ich werde die Knechte wegschicken, sobald Ihr mit Ihnen zurück seid. Euch lasse ich derweil etwas zu essen richten.«
    »Ich glaube nicht, daß ich danach hungrig sein werde«, erwiderte ich.
    »Eßt nur«, sagte er. »Essen heilt die Wunden der Seele; zumindest ein wenig. Wenn Ihr wieder zu Hause seid, werdet Ihr Hunger haben.«
    Es war ein weiser Rat, den er mir gab; und es stellte sich heraus, daß er

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