Der Tuchhändler (German Edition)
gramerfüllten Zölibat hielt. Als ich sagte, ich würde für ein ordentliches Begräbnis in aller Stille sorgen und meine Stimme dabei ungewollt überkippte, hielt er es für erneute Trauer um eine Frau, die ich geliebt oder für die ich zumindest Zuneigung empfunden hatte, und seine Augen wurden feucht. Er war noch nicht bei mir gewesen, als Maria starb, aber die Geschichte war ihm mit Sicherheit in allen Einzelheiten hinterbracht worden.
»Suche mir zwei von den Knechten aus, auf deren Schweigen man sich verlassen kann. Sie sollen mich zurück in die Stadt begleiten und den Leichnam hierherbringen, wo wir ihn bis zum Begräbnis aufbahren werden.«
»Wünscht Ihr, daß ich das Gesinde unterrichte und Gebete gesprochen werden?« fragte er, obwohl er sich die Antwort denken konnte. Als ich es verneinte und ihn darum bat, für ein Zimmer zu sorgen, das abgeschlossen werden konnte, nickte er nur stumm. Wenn er sich fragte, warum ich in aller Welt gerade einem käuflichen Mädchen meine Zuneigung geschenkt hatte und deshalb aus Angst vor einem Skandal meine Liebe in aller Stille begraben mußte, ließ er sich nichts anmerken.
»Niemand wird etwas erfahren.«
»Wenn die Knechte zurückkommen, möchte ich, daß du sie mit einem Auftrag möglichst weit weg schickst. Irgendein Botendienst wird sich sicherlich finden lassen. Ich will, daß Gras über die Sache gewachsen ist, bis sie zurückkommen. Es ist keine Ungerechtigkeit den Männern gegenüber, verstehst du; ich will nur verhindern, daß sie zuletzt doch etwas weitertratschen. Am besten gibst du ihnen dafür eine zusätzliche Entlohnung.«
»Ich habe verstanden, Herr Bernward.«
Ich lächelte ihn an und konnte nicht vermeiden, daß mein Lächeln wehmütig wurde. Ich fühlte mich niedergeschlagen wegen seiner bedingungslosen Ergebenheit, die ich mit einer Lüge vergalt; er dachte, es sei wegen der Toten, und murmelte: »Der Herr sei ihrer Seele gnädig.«
»Amen«, sagte ich und fühlte einen neuerlichen Stich, weil es das erste Gebet war, das jemand für die Ermordete sprach.
»Hole mir jetzt die Knechte«, sagte ich. »Ich warte hier auf sie und bringe sie in die Stadt.«
Er stand auf, aber als er an der Tür war, zögerte er. Er drehte sich um und fragte: »Soll ich Euch nicht diesen zweiten Gang abnehmen?«
»Nein«, sagte ich. »Ich muß es selbst tun.«
»Natürlich«, sagte er und verließ den Raum. Ich saß am Tisch und starrte auf meine Finger, die ruhelos auf dem glatten Holz trommelten. Über diesen Tisch waren ebenso viele geschäftliche Gespräche wie Trinksprüche und fröhliche Witze gewandert; letzteres zumindest, als Maria noch lebte und meine Familie um mich versammelt war. Zum ersten Mal allerdings war eine solch gewaltige Lüge über ihn hinweg gegangen. Ich hatte mich noch nie gescheut, die Schwäche meiner Geschäftspartner auszunutzen, um den Vorteil auf meiner Seite ein wenig anzuheben; umgekehrt war es sicherlich auch einige Male geschehen. Niemand erwartete etwas anderes, wenn er in geschäftliche Verhandlungen einstieg. Aber die einfache Seele und die Zuneigung eines anderen Menschen zu mir hatte ich noch niemals so ausgenutzt. Plötzlich fühlte ich die Erbitterung wie einen schlechten Geschmack in meinem Mund aufsteigen. Vielleicht war meine Erinnerung getrübt, aber ich konnte mich nicht entsinnen, daß ich früher Zuflucht zu Lug und Trug hatte nehmen müssen, um der Gerechtigkeit zur Geltung zu verhelfen. Es mochte sein, daß ich mich zu lange mit meinem Leben als Kaufmann herumgeschlagen hatte. Ich hatte es nicht vermocht, meine Familie zusammenzuhalten; womöglich hatte ich auch die Fähigkeiten verloren, auf die ich früher so stolz gewesen war.
Es dauerte nicht lange, bis der Verwalter mit zwei verschlafen blinzelnden Männern in die Stube kam. Ich kannte beide gesichtsweise, und von einem wußte ich sogar den Namen. Früher hatte ich jeden meiner Knechte persönlich gekannt; früher, als meine Geschäfte noch geringeren Umfang hatten; früher, als ich noch einzelne Handelsfahrten selbst unternahm, als ich noch dachte, dieses neue Leben könnte mein altes ersetzen.
– Früher, als Maria mit Daniel auf dem Arm und Sabina und der kleinen Maria im Schlepptau durch den Haushalt gewirbelt war und alle Knechte die Arbeit niederlegten, um ihr nachzublicken. Warum nur fehlst du mir heute so besonders, meine Geliebte?
Früher hatte ich jeden meiner Knechte mit dem Namen ansprechen können und über seine Familienverhältnisse,
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