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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ungezählte Priester, die größere spirituelle Fähigkeiten haben als ich.» Sie unterdrückte den Drang, sich eine Zigarette anzuzünden, und schenkte sich ein Glas Wasser ein. «Verglichen mit meinem bescheidenen Niveau, scheinen ziemlich viele Leute geradezu im Stand der Gnade zu leben.»
    Sie warf ihm einen Blick zu, um sich zu versichern, dass er das nicht als Aufforderung betrachtete, ihr Loblied zu singen. Doch es verging tatsächlich kein Tag, an dem sie sich in ihrem Beruf nicht unzulänglich fühlte und sich fragte, ob sie auch nur einen Deut besser war als diese Pseudo-Mystiker, vor denen sie die Menschheit bewahren wollte.
    «Dann schreiben Sie mir doch einfach mal eine Liste mit all diesen Heiligen und faxen sie in den Palast oder geben sie Sophie. Wenn Sie möchten, kümmere ich mich um die Kontaktaufnahme. Sollen wir erst mal mit   … was meinen Sie   … zwei Leuten anfangen?»
    «Zwei Geistliche?»
    «Das reicht für den Anfang. Ich will nicht, dass jemand denkt, das Amt für spirituelle Grenzfragen wäre so eine Art Sonderfraktion. Und   … müssen sie   … verzeihen Sie meine Unkenntnis, aber müssten diese beiden   …»
    «Was?» Merrily blinzelte.
    «Sie wissen schon.»
    «Sie meinen, ob sie Hellseher sein müssen?»
    Er sah sie gequält an. «Wie heißt nochmal dieses andere Wort?»
    «Medial veranlagt?»
    «Ja. Nein. Also   … müssen sie?»
    «Das ist eine gute Frage.» Sie nippte an ihrem Wasser.
    «Ich, ähm, wollte eigentlich nicht fragen, aber, Merrily, glauben Sie, dass Sie selbst   …»
    «Na ja   …»
    «Das hier ist kein Hexenprozess.»
    «Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht», sagte sie. «Vielleicht sind wir es alle, mehr oder weniger. Und vielleicht verschafft einem dieser Job gewisse   … Erkenntnisse. Ich meine, o je   …»
    «Schon gut», sagte Bernie. «Vergessen Sie es. Wen brauchen wir sonst noch?»
    «Einen vernünftigen Psychiater. Wir können zwar unsere Vermutungen darüber anstellen, ob jemand ein echtes Problem mit dem Übersinnlichen oder bloß eine Paranoia hat, aber Vermutungen reichen eben nicht.»
    «Und wie sollen wir so jemanden finden?» Der Bischof schüttelte seine Cider-Dose, doch sie war leer. Merrily stand auf, um ihm eine neue aus dem Kühlschrank zu holen, aber Bernie hielt die Hand über sein Glas. «Was ich sagen will: Sollen wir uns offiziell an die Gesundheitsbehörde wenden und um eine Empfehlung bitten? Und würde ein Psychiater nicht auch eine Art von Honorar haben wollen? Meiner Erfahrung nach arbeiten Ärztenämlich nicht umsonst, und der Erzdiakon würde zuallererst jede zusätzliche Ausgabe in Frage stellen   …»
    «Ich weiß nicht, wie wir es am besten machen sollen.» Merrily setzte sich wieder. «Beim Aufbau dieses Teams gibt es eine Menge, was mir unklar ist.»
    «Wir müssen uns eben vortasten», sagte Bernie, dessen Beförderung erst Ende Mai bestätigt worden war. «Wir können ja ohnehin nichts anderes tun, als auf gut Glück vorzugehen, oder? Wenn wir den falschen Psychiater erwischen, können wir ihm sogar ein süßes altes Mütterchen vorführen, das mit dröhnender Bassstimme das Vaterunser rückwärts aufsagt, und er schwört, dass es sich um einen Fall von paranoider Schizophrenie handelt.»
    «Wird vermutlich schwer, einen zu finden, der so was nicht jedes Mal sagt. Und er – oder sie – müsste Christ sein. Falls wir nämlich mal jemanden haben sollten, der von einem bösen Geist besessen ist, müsste der Psychiater beim Showdown dabei sein.»
    Bernie zuckte bei dieser Wortwahl zusammen. «Ich fürchte, dabei kann ich Ihnen nicht sehr viel helfen. Ich glaube nämlich nicht, dass ich auch nur einen Psychiater mit
irgendeiner
religiösen Überzeugung kenne.»
    «Ich auch nicht», sagte Merrily. «Aber ich kenne einen Mann, den ich fragen kann.»
    Bernie sah sie mit dem interessierten Blick an, den er sich für die Momente aufsparte, in denen sie erwähnte, dass sie Männer kannte. Aber Merrily ging nicht weiter darauf ein. Sie sehnte sich nach einer Zigarette. Ethel, die schwarze Katze, die Lol Robinson dem Pfarrhaus vermacht hatte, sprang auf ihre Knie, wie um sie zum Weitersprechen zu bewegen, doch Merrily sagte nichts mehr.
    Der Bischof stand auf und ging ans Fenster. Er trug seine Golfkleidung: Zu den cremefarbenen Hosen spannte sich ein blassgrünesPolo-Shirt über etwas, das man kaum anders denn als Bierbauch bezeichnen konnte.
    «Was Sie vorhin gesagt haben   …», Bernie sah auf den Rasen des

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